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Frühlingsgefühle, 

von | Mrz 3, 2022 | Vital

wenn die Hormone des Rüden verrückt spielen…

Zu meinen Berliner Zeiten als Tierärztin durfte ich den Schäferhund Florian kennenlernen. Er war 6 Jahre alt und wog stolze 48 kg. Florians Frauchen hat den Hund von ihrem leider früh verstorbenen Mann geerbt. Die zierliche Dame wog nur wenig mehr als der kräftige Rüde. Ratsuchend begab sie sich in die Kleintierpraxis, nachdem der sonst artige Hund die beiden in große Gefahr gebracht hatte: Zur Hochsaison der läufigen Hündinnen empfand Florian nämlich jeden anderen Rüden als absoluten Rivalen. Und als so einer an einem schönen Frühlingstag auf der anderen Straßenseite auftauchte, konnte Frauchen nur noch die Leine um die nächstbeste Laterne wickeln, um eine unfreiwillige Überquerung des stark befahrenen Ku`Damms zu verhindern.

Was können wir tun, wenn unser Hund sich mit jedem anderen Rüden anlegt, wenn er vor lauter Liebeskummer, weil Nachbars Dackeldame läufig ist, nicht mehr fressen mag, wenn jede Spur einer läufigen Hündin ohne Rücksicht auf Leib und Leben verfolgt wird oder wenn zu Hause Dominanzprobleme zwischen Mensch und Hund herrschen? Fast jeder hat etwas über die chirurgische Kastration gehört. Hierbei handelt es sich um die Entfernung der Keimdrüsen – in diesem Fall der Hoden – beim narkotisierten Tier . Keinesfalls sprechen wir von einer Sterilisation, wobei lediglich die Samenleiter durchtrennt werden, und damit der Patient nur unfruchtbar ist, sich aber weiter als Rüde fühlt. Hilft denn eine Kastration bei sozial auffälligen Rüden? Die Antwort muss „jein“ lauten – bei manchen ja, bei anderen nein, denn ein Teil des Verhaltensmusters ist einfach erlernt und damit nicht hormonell abstellbar!

Gründe für eine Kastration sind krankhafte Veränderungen im Körper wie eine Prostatavergrößerung oder Hodentumore. Die Kastration eines lediglich verhaltensauffälligen Tieres ist aber eine Operation am klinisch gesunden Tier. Laut Tierschutzgesetz, welches ja jegliche Amputationen an gesunden Patienten verbietet, ist dieser Eingriff nicht ohne einen vernünftigen Grund erlaubt. In jedem Fall muss vorher ein ausführliches Gespräch mit der Tierärztin oder dem Tierarzt geführt werden, um die Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten zu diskutieren. Manchmal kann diese Fragestellung nicht abschließend im Gespräch geklärt werden. Das führt zu Verunsicherungen beim Tierbesitzer, da diese Operation natürlich nicht rückgängig zu machen ist. Glücklicherweise steht uns seit über 10 Jahren ein Medikament zur Verfügung, das den Rüden schmerzfrei und reversibel kastriert. Dieses Hormonimplantat, das in der Tierarztpraxis ähnlich wie der Mikrochip unter die Haut gesetzt wird, gibt für ein halbes oder ein ganzes Jahr einen Wirkstoff frei, der letztendlich die Produktion von Geschlechtshormonen verhindert. In dieser Zeit kann in Ruhe zu Hause beurteilt werden, ob eine Kastration zur Behebung von Verhaltensproblemen überhaupt die Methode der Wahl sein kann. Kommt beispielsweise bei narkosesensiblen Patienten keine chirurgische Kastration in Frage, kann das Implantat problemlos erneuert werden. Was ist eigentlich aus Florian, unserem Berliner Schäferhundrüden, geworden? Nachdem Frauchen sich mit dem Gedanken trug, den Hund abgeben zu müssen, da die Gefährdung für Mensch und Tier immer erheblicher wurde, hat sie sich nach meiner Beratung für die chirurgische Kastration entschieden. Damals war das Implantat noch nicht auf dem Markt, so dass ein Testlauf nicht möglich war. Nach gut einem Vierteljahr kam die freudige Nachricht, dass Florian viel leichtführiger wurde und die beiden fortan sehr gut miteinander auskamen! Nicht zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass es für Vierbeiner mit Verhaltensproblemen spezialisierte Tierarztpraxen gibt, die gestressten Patientenbesitzern mit kompetentem Rat zur Verfügung stehen. Sollte Bello also ein Verhalten zeigen, das nicht hormonell induziert ist, kann Ihnen mit entsprechenden Managementanweisungen und dem Training von alternativen Verhaltensmustern geholfen werden.

Ihnen wünsche ich bis zu meinem nächsten Beitrag „Wenn der Osterhase kommt – artgerechte Haltung des Langohrs“ einen schönen Start in den langersehnten Frühling.

Ihre Dr. Simone Möllenbeck