Mo.-Fr., 8 – 17 Uhr

Martina & Moritz – unplugged

Sep 1, 2022 | Kulinarik

Kitchen-Stories mit den besten M&M’s die wir kennen 

Petra Hungerkamp

Klaus von Gelder

Prolog 

Als wir uns mit Petra Hungerkamp und ihrem Vater Dr. Georg Hungerkamp im Dezember letzten Jahres zum Interview trafen, war ich wirklich erfreut, zu erfahren, dass die beiden für das 100-jährige Hungerkamp-Jubiläum zwei TV-Köche verpflichtet hatten, die ich gefühlt seit drei Jahrzehnten verfolge. Ganz schön langer Satz oder? Ich gelobe Besserung. Unter welchem Tenor führen wir dieses Gespräch? Ich finde ja den Begriff „Kulinarisches Vermächtnis“ klasse. Also das, was die Menschen am Herd auszeichnet und welche Spuren sie damit in unseren Köpfen hinterlassen. Aber Vermächtnis hat so etwas Endgültiges. Kann man eigentlich etwas zu Lebzeiten vermachen? Wo es uns drauf ankommt ist, der bisherigen Lebensleistung der Protagonisten Respekt zu zollen und etwas schriftlich zu bewahren, was in deren Köpfen über Jahrzehnte gewachsen ist. 

Sonntag, 22. Mai 2022, 15:00 Uhr
46399 Bocholt / Westend 2 /
Ausstellung der Aloys Hungerkamp GmbH & Co. KG

Mir gegenüber sitzen die Protagonisten Martina Meuth und Bernd („Moritz“) Neuner-Duttenhöfer, die zuvor ihre zweite Kochshow am heutigen Tag mit Bravour gemeistert haben. Sehr zum Vergnügen der ca. 100 anwesenden Gäste – wie ihr im Juni-PAN nachlesen konntet. 

PAN Juni Martina & Moritz / Küchenunterhaltung vom Feinsten 
Wir sind gut präpariert. Sowohl vom Interview-Design her, als auch vinologisch. Aus unserem WineBag wandern folgende Flaschen auf den Tisch: Ein 2021er Brauneberger Juffer, Riesling Kabinett trocken, vom Weingut Karp-Schreiber. Ein Flutwein von Meyer Näkel mit noch einwenig Schlamm an der Kapsel und ein 2017 Châteauneuf-du-Pape von unserem neuen Winemaker-Freund Jean-Marie Royer. Mit am Tisch: Petra Hungerkamp, die Gastgeberin mit ihrer Freundin Christa Hoffs, sowie Herr von Gelder – Hahn im Korb des Team Hungerkamp zugleich ein sehr beschlagener Kulinariker.  

Ein historisches Datum für Petra & das Team Hungerkamp, da es auf den Tag genau 100 Jahre her ist, dass die Firma von ihrem Großvater Aloys Hungerkamp gegründet wurde. Wir erinnern gerne auf die ausführliche Hungerkamp-Story im PAN Januar 2022. 

Hungerkamp Artikel im Januar PAN
Das scheint auch der Hund von Martina und Moritz zu spüren, der es sich andachtsvoll zu unseren Füßen gemütlich gemacht hat. Nachdem wir die Gläser haben Klirren lassen, sprich die Stimmbänder für’s Interview geölt haben, geht’s in die Fragen: 

Ist das Arbeits-Du während des Interviews okay, sonst wirkt es so hölzern? 
Martina: Ja, selbstverständlich. 

Und so mutierte Herr van Gelder, als Teil dieses Szenarios, stillschweigend-einvernehmlich zum Klaus :)) Und beim Bernd lassen wir es bei seinem TV-Namen „Moritz“ – damit ihr nicht durcheinander kommt. 

Wir erfragen vornehmlich Details, die man noch nicht irgendwo im Netz oder in euren Büchern nachlesen kann. Wir sind gut vorbereitet, lasst euch gerne treiben. Wenn ihr euch nicht zu viel ins Wort fallt, was gelegentlich vorkommt, sind wir in 18 Minuten durch :))
Dieser augenkneifende Seitenhieb musste sein. Zum einen als Fingerzeig darauf, dass unsere Interviews nicht „von der Stange“ sind und zum anderen ein wenig als Selbstschutz. Wer schon mal ein Interview vom Band nieder geschrieben hat, um es in eine lesegeschmeidige Form zu bringen, weiß wovon ich schreibe. 

Moritz: Ähhhm, das ist nicht zu machen. Wir sind gewöhnt uns ins Wort zu fallen, das ist unser Markenzeichen. Das allgemein einsetzenden Gekicher, lässt ahnen, dass dieser Seitenhieb ins Leere laufen wird. 

HardFacts

Last uns zunächst ein paar Hardfacts abgleichen. Du Martina bist 73 Jahre alt und du Moritz 78 Jahre. Ihr habt 1983 geheiratet – beide als Wiederholungstäter. 
Martina: Ja, passt.
Es gibt durchaus Parallelen zu hier Anwesenden. 
Martina: Ist das bei euch euch so? 
Jepp, alles genauso. Bis auf das Lebensalter und das Jahr der Hochzeit. 

Das TV-Format „Kochen mit Martina & Moritz“

Ich habe ein paar Impressionen aus der den Anfängen gegoogelt. Bekommt ihr die zeitlich einsortiert? 

Beide lassen die ehrwürdigen Impressionen auf meinem iPad auf sich wirken. Martina: Das ist auf jeden Fall eine Weihnachtssendung oder Sylvester. Ich glaube das ist die Geschichte mit dem Gänsebraten, also unser erstes Weihnachten im Fernsehen, im Jahre 1988. Ich kann das an meinen Klamotten festmachen. Zumindest bei euch beiden trifft das zu, dass man mit dem Alter besser aussieht oder? 
Martina: Wenn du meinst? Danke. 

Für welches Gericht, liebe Martina, hättest du einen Stern verdient? 

Martina: Weiß ich gar nicht. Ich bin da eher wie Witzigmann unterwegs – ich koche aus dem Bauch, aus dem Moment heraus, was ich gerade sehe oder aus dem Garten geholt habe oder Bernd mir gebracht hat. Während Winkler oder Wohlfahrt extrem durchgetaktet sind. 
Also keine Spür’chen … und Schäum’chen von …
Martina: Nix da. 
Moritz: Wir sind 100 Prozent am Produkt. Das sagen zwar viele, aber viele arbeiten auch am Produkt so aufwendig vorbei, dass man es hinterher nicht wieder erkennt. Das haben wir am Anfang auch gemacht, wo wir z.B. grüne Bohnen zu einem Püree verarbeitet haben. Davon haben wir uns relativ schnell wieder verabschiedet. Genauso wenig ging es uns darum, einen Kochstil zu vermitteln. Bei uns geht es um das Produkt und um dieses herum kochen wir, mit unterstützenden Aromen, mit Kochtechniken, um das Maximale zu fördern. Das ist uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir diesen Ansatz auch bei fremden Küchen wählen.  

Martina: Ich war 1974 das erste mal in Thailand. Ich bin spontan in eine tiefe Liebe zur Thailändische Küche verfallen – das ist Teil meines Lebens-Elixiers. Ich habe die Zutaten und Möglichkeiten, die wir hier zur Verfügung haben mit den Aromen Asiens verwoben. Vor allen Dingen mit denen aus Thailand und daraus meine persönliche Küche entwickelt. 

Okay, ich finde das eine schöne, „knappe“ Antwort auf die simple Frage: Wofür hast du einen Stern verdient :))
Moritz, gibt es bei dir etwas, worauf die ganz besonders stolz bist … ein Gericht? 

Moritz: Ja, aber dafür würde man nie einen Stern bekommen. Das ist das erste Rezept, was ich angeblich schon als Kind entwickelt habe. Ich hatte nie ein großes Interesse an Süßigkeiten. Ich bin in die Küche und habe Bauchspeck und Zwiebeln fein gewürfelt, Petersilie fein gehackt – das ganze mit Pfeffer und Senf vermischt. Diese Mischung auf ein in der Pfanne geröstetes Graubrot – das schmeckt so gut! Das servieren wir bisweilen heute noch unseren Gästen, als Amuse Bouche (Appetithäppchen) zum Champagner oder zum Cidre, zur Begrüßung. Am letzten Freitag, vor unserer Abfahrt nach Bocholt, habe ich das auch noch gemacht. 

Das Nest – Das Zuhause von Martina und Moritz & Küchengedöns 

Ihr wohnt auf einem 124 Jahre altem, historischen Apfelgut in  Sulz-Hopfau – zwischen dem Schwarzwald und der Schwäbischen Alb. Ich habe eine Reise durch eure verschiedenen Küchen gemacht, die sich mit eurer steigenden Popularität entwickelt haben. 

Die Beiden haben sichtlich Spaß beim Eintauchen der recherchierten Fotos auf meinem iPad.
Moritz: Wir sind in der Tat in unserer Privaten Küche gestartet. Dann kam die wesentlich größere Gutsküche, die bis dato eine „Rumpelkammer“ war. Die haben wir fernsehtauglich umgebaut. Mittlerweile drehen wir in unserer Kochschule auf dem Gutshof. 

Auf dem Foto mit der Gutsküche sehe ich noch eine alte Berkel-Aufschnittmaschine, gibt es die noch? 
Martina: Ja, natürlich. Die habe ich Bernd mal zu seinem Geburtstag geschenkt… 
… hast du zugehört Kirsten?
Ich fange mir einen vielsagenden Blick von meiner Lady hinter ihrer Nikon :))

Was mich beruhigt ist, dass ich auf keinem der Fotos eine Maschine finde, die offensichtlich noch wichtiger als ein amtlicher Herd und ein geräumiger Kühlschrank zu sein scheint – wenn man einigen Hardcore-Fans dieser Höllenmaschine Glauben schenken mag …
Martina: Du meinst einen Thermomix?
Oh nein, jetzt hast du ihn benannt. Diesen Lord Voldemort  vieler deutscher Küchen, dessen Namen nicht genannt werden darf – zumindest nicht von uns.

Wir lassen euch gerne darüber im Unklaren, welcher Dialog sich in den folgenden handgestoppten 7 ½ Minuten entwickelte und mit der Antwort, ob diese beiden Institutionen der deutschen Kochgeschichte, einen solchen Produkt-Schredderer besitzen und einsetzen. Was ihr wissen solltet ist, dass Martina den weltbesten Eierlikör nach einer eigenen Rezeptur macht. Eine profunde Behauptung ihrerseits, die wir natürlich beim Gegenbesuch einer eingehenden Prüfung unterziehen werden. Schliesslich versöhnen wir uns in dem Gedanken, dass es zulässig sein sollte, diese Maschine als Abfangjäger im Kampf gegen Junkfood und Dosenfutter einzusetzen. Natürlich nicht unkommentiert von der Hausherrin Petra Hungerkamp, die ex aermelo ein leidenschaftliches Plädoyer für den „Kennwood Küchenchef“ aus ihrem Sortiment abfeuerte. Wenn ich nach Hause komme, werde ich erst einmal unsere Zuckerapfel-rote Kitchen-Aid liebevoll in den Arm nehmen – ebenfalls bei Hungerkamp erhältlich und nicht reduziert auf Hausbesuche von Menschen des Schlages Pahlhuber & Söhne (Loriot lässt grüßen). 

Gewürzreise

Moritz, dein Lieblingsgewürz in der Küche?
Moritz: Chili gehört für mich zum täglichen Leben. Alles andere folgt saisonal. Wenn z.B. der erste Schnittlauch sprießt, dann ist es der. Bei den ersten zarten Liebstöckelblättchen schießen diese ganz nach vorne. Dann freue ich mich auf den ersten richtigen Sommerbasilikum aus unserem Garten. So wechseln meine Vorlieben mit dem Lauf der Jahreszeiten.

Martina, wie ist da bei dir?
Martina: Ich liebe ein Gewürz das heißt Vadouvan. Das ist eine Gewürzmischung – die kommt ursprünglich aus Indien. Ich habe sie über Ingo Holland und seinen Gewürzkontor kennengelernt. Das gibt so ein zarte asiatische Schärfe, gepaart mit den warmen Aromen der indischen Küche. Diese Melange von Gewürzen passt gut zu Geflügel und zu Gemüsen wie Sellerie und Blumenkohl, aber auch zu Kabeljau. Einfach ein tolles Gewürz.

Must-have’s in the kitchen

Bei uns gibt es Zutaten, wenn die sich dem Ende neigen, werden wir nervös. Also Dinge, die wir eigentlich immer auf Vorrat haben wie z.B. getrocknete Morcheln oder eine gute Trüffelbutter. Wo werdet ihr nervös, wenn was fehlt? 
Moritz: Wenn keine Thunfisch-Bottarga aus Sizilien mehr im Haus ist. Das ist der eingesalzene und getrocknete Rogen vom großen Thunfisch.
Martina: Den besten Bottarga bekommt man eigentlich nur auf Sizilien. Das ist der gepresste Kaviar des Mittelmeeres. Es gibt auch noch Bottarga de Muggine – von der Meeräsche – aus Sardinien. Die ist kleiner, aber auch ganz gut.  

Wir sind angefixt. Da werden wir mal einen Contest unter unseren sardischen und sizilianischen Freunden in der hiesigen Gastronomie anschubsen. Mal schauen, wer uns als erster mit dieser Delikatesse beglückt.
Also Ihr Lieben … allen voran Mario, Pippo, Carmelo und Anja … Herausforderung angenommen?
Moritz: Idealerweise die Botttarga aus dem Westen Siziliens, dort wie in den Tonnara die gefangenen Thunfische verarbeitet werden. 

Vorausgesetzt wir erhaschen mit Hilfe unserer Gaumen-Komplizen diese Spezialität, was machen wir damit? 
Martina: Der Bottarga wird auf einer guten Aufschnittmaschine hauchdünn in Scheibchen gehobelt. Das dient dem puristischen Genuss auf einem Teller mit dem Saft einer frischen Zitrone, Olivenöl und ein wenig Petersilie. Die Reste kann man mit einem Pürierstab, zusammen mit Knoblauch, Olivenöl und Salzzitronen pürieren. Letztere wären mein Unruhigmacher in der Küche, d.h. mann sollte immer einen Vorrat davon im Kühlschrank haben. 

Kannst du unseren Leserinnen und Lesern noch einen Bausatz für Salzzitronen an die Hand geben?
Martina: Klar! Das sollte man wirklich tun, ein tolles Gewürz, was vornehmlich in der marokkanischen Küche zum Einsatz kommt. Dazu nimmt man Zitronen und schneidet sie in Scheiben, um sie dann mit Meersalz in ein Glas zu schichten. Dann zieht der Saft raus und die Zitrone fermentiert. Man kann den gezogenen Saft als Gewürzv verwenden, als auch die Zitronenschale und das Fruchtfleisch der Zitrone. Ein toller Abrunder eines Gerichtes wie Spagetti Aglio olio.

Begegnungen

Als ihr jünger wart … gab es dort Idole für euch … küchentechnisch gesehen?
Martina: Ja. Der Witzigmann war schon ein großes Idol für mich. Den habe ich einfach geliebt. Was der gekocht hat war Herz, Seele und Genuss in einem.
Moritz: Wir haben damals in München gelebt. Da gab es für uns drei wahnsinnig tolle Restaurants. Das von Witzigmann ist ja bleibend bekannt geblieben. Daneben gab es für uns Nitaya – eine Thailänderin, aus dem Nordosten Thailands, die dort in der eher armen Küche groß geworden ist. Diese Frau kochte mit der Präzision von uns Deutschen diese einfachen thailändischen Gerichte – das war Weltklasse. Dann gab es noch die Köchin, die bei Huan gearbeitet hat. Huan war ein sogenannter Boot-People. Er hat an der Hochschule für Gestaltung in Ulm gelernt. Er wollte unbedingt ein Restaurant eröffnen, um die vietnamesische Küche in ihrer Perfektion den Deutschen nahe zu bringen. Huan kannte eine Landsmännin, die in verschiedenen Küchen in London und Paris gearbeitet hatte. Das war echt eine begnadete Köchin. Die hat damals schon 5.000,- DM Gehalt bekommen – das war 1976. Das ist von den Münchenern seinerzeit nicht erkannt worden. Von uns allerdings schon, wie waren jede Woche dort – genauso, wie bei der angesprochenen Thailänderin. Es bereitete uns Schmerzen mitanzusehen, wie der Huan mit seiner Köchin puren, vietnamesischen Genuss auf die Teller zelebriert haben und kaum ein Mensch das verstanden hat. Bis zu dem Zeitpunkt,  als  die Edition Wilsberger über dieses Restaurant berichtete und die Menschen denen die Bude eingerannt haben. Tragisch war, dass Huan seine Spitzenköchin vorher entlassen hatte, weil er deren Gehalt nicht mehr zahlen konnte. Wir durften in dieser Zeit eine Qualität asiatischer Kochkunst erleben, die uns seitdem nie wieder begegnet ist. Die Perfekten der Zusammenstellung, das Spiel der Aromen, die Ausarbeitung – einfach doll. Das hat uns schon sehr geprägt. 

Gab es ein Wow-Gericht in diesem Zusammenhang?
Moritz: Wenn wir aus dem Schwarzwald nach München fuhren, dann haben wir immer zwei Tage vorher bei der Nitaya reserviert. Wenn wir dann die Tür öffneten, hörten wir diese Frau in der Küche, wie sie unser Lieblingsgericht „Gehackte Ente“ frisch für uns zerteilte. Schön zu sehen, wie die beiden in Erinnerungen schwelgen und den einsetzenden Speichelfluss synchron mit einem Schluck Riesling besänftigen. 

Martina: Wir haben nie erfahren, wie alt Nitaya wirklich ist. Offenbar war sie deutlich älter, als sie tatsächlich aussah. Irgendwann war sie von der Bildfläche verschwunden – zumindest von der Deutschen. 

Kann ich einen spontanen Satz zu Alfred Biolek von euch bekommen?
Moritz: Alfred Biolek war der Erfinder der Kochshow. Es ging weniger um die Küche. Es ging um gute Gespräche, um Wein und Genuss. Und deswegen ist das alles sehr verdienstvoll gewesen, was er zu uns ins Wohnzimmer getragen hat. 

Wir abstrahieren ein wenig. Wenn wir euch mit einer Person matchen könnten, tot oder lebendig … einen Menschen mit dem ihr ein kulinarisches Rendezvous verbringen möchtet. Wen müssten wir mit euch an den Tisch bringen, mit wem würdet ihr lecker essen wollen? Das muss kein Koch sein. 
Moritz: Rossini – der so gerne gegessen hat, dass er auseinander gegangen ist, wie ein Hefekuchen.
Martina: Der geweint hat, als ihm die Gänseleber aus der Hand gerutscht ist, als er mit einem Bötchen über den Gardasee geschippert ist. 

Eine Stimme aus dem Off meldet sich: „Da würde ich aber auch weinen.“ Wie soll meiner Kirsten die Leberwurststulle aus der Hand rutschen, während ich rudere? – fährt es mir durch den Kopf.

Moritz: Rossini hat so herrliche Musik geschrieben, dass ich ihn gerne kennengelernt hätte. Wenn du uns ein Lieblingsstück von ihm vorspielen könntest, welches würden wir dann hören?
Seine Il viaggio a Reims – seine Reise nach Reims.  Eine wunderbare Oper, sowas von vergnüglich und  fröhlich. Jedes Mal wenn wir nach Italien fahren, hören wir diese Stücke im Auto und sind schon in Österreich glücklich. 

Ich bin zwar bemüht, die Fragen abwechselnd an euch zu stellen. Aber ihr scheint so viel Gemeinsamkeiten zu haben, dass ihr fast mit einer Zunge sprechen könntet. 

Moritz: Das ist schon auffallend oder. Jetzt lässt bei uns beiden gleichzeitig die Sehschärfe nach. Wir werden in Kürze am gleichen Tag operiert, ich am linken und Martina am rechten Auge. Hoffentlich verwechselt der Arzt das nicht.

Kitchen-Stories

Es gibt ja den Spruch „Koche nichts, worüber du keine Geschichte erzählen kannst.“ Gibt es bei euch das ultimative Story-Gericht?
Moritz: Da gibt es sicherlich viele!
Ist mal so richtig was in die Hose gegangen vor laufender Kamera?
Martina: Meine geliebte Tarte Tatin, wo ich Salz anstatt Zucker verwendet habe. Ich habe die Pfanne irrtümlicherweise mit Salz bestreut. Darauf kamen Birnen und Trockenfrüchte, der Teig und ab in den Ofen. Als ich den Kuchen aus dem Ofen nahm roch alles nach gepökeltem Obst. Wir haben ziemlich sparsam geguckt. Unser Team war erschüttert, weil sie normalerweise nach dem Dreh die Gerichte verzehren. 

Moritz: Richtig daneben gegangen ist uns auch mal ein Filet Wellington. Der Metzger unseres Vertrauens hatte sich unverhofft in den Urlaub aufgemacht und wir mussten mit einem Filet vorlieb nehmen, was uns jemand rasch beschafft hatte. Als wir dann den Blätterteigmantel anschnitten räkelte sich ein eingeschrumpeltes Stückchen Fleisch einsam in der Mitte. Das war ganz schrecklich anzusehen, erst recht vor laufender Kamera.

Butter bei die Fische

Das ultimative Fischgericht … 
Martina: Hach, dass ist auch eine große Leidenschaft von mir. Am liebsten essen ich guten Fisch roh. Ich war am letzten Donnerstag bei unserem Fischhändler … der hatte tolle Makrelen. Mein Mann reagiert leider allergisch darauf, der verträgt keine Makrele. Ich habe mir sieses Vergnügen gegönnt. Die Makrele hat ja nicht nur diese geflammte Haut, sondern auf der sitzt noch eine transparente Haut, die man abziehen sollte – wenn man sie roh mariniert. Beim Braten schmilzt die einfach weg. Wenn man diese „Folie“ abgezogen hat, kann man die Makrele mit Zucker, Salz,  Kräuter und Olivenöl beizen.

… und, was bevorzugt der Makrelen-Allergiker?
Moritz: Eine im Wildbach gelebt habende Schwarzwaldforelle „blau“ – frisch geschlagen … wer das mal perfekt gegessen hat, wird das nie vergessen.
Martina: Dieses Glück ist uns des Öfteren beschieden, weil wir ein kleines Fischgewässer in der Nähe unseres Hofes haben. 

Flüssiges

Martina, dein Lieblingstropfen?
Martina: Champagner – gerne Jahrgangs-Champagner von einem ausgesuchten Haus. Damit kriegt man mich weich. 

Das einsetzende süffisante Gelächter der Anwesenden, unterstreicht die Glaubwürdigkeit, die Martina gerade ausstrahlt. Bei solchen Äußerungen neige ich zur Penetranz – nicht was die Details zum „weich kriegen“ angeht, sondern beim Nachbohren nach den Geheimtips. Und so kann ich Martina entlocken, dass das kleine Champagner-Gut Drappier regelmäßig von den Beiden aufgesucht wird, um dem Gähnen des Kofferraums ein Ende zu bereiten. Während ich das schreibe, wird mir bewusst, dass genau in einer Woche das Diner en Blanc 2022 in Bocholt stattfindet. Ein gebührender Anlass, um genau diesen Champagner zu ordern und abends auf Martina & Moritz anzustoßen. Erledigt! Weiter im Text.

Moritz: Damit wir nicht in einem falschen Licht erscheinen. Champagner für 200 Euro die Flasche kommt uns nicht in den Hals – außer, wenn wir eingeladen sind. :))

Moritz, dein Lieblingswein?
Moritz: Das hängt natürlich vom Essen ab. Aber wenn ich ein wenig rumspinnen und auch mal höher ins Regal fassen darf, vielleicht ein guter Wein von der Loire wie z.B. ein Coulée de Serrant von Nicolas July. 

Ich bin mir ziemlich sicher, nicht in den schottischen Highlands gezeugt worden zu sein, aber dieser Tropfen wird vorerst keinen Einzug in unsere Weinklimaschränke halten. So sehr ich guten Chenin Blancs verfallen bin, aber da lenke ich lieber den Blick in Richtung Südafrika. Ich sollte mal wieder mit Ina Smith mailen – Die „Lady Chenin Blanc“ in Südafrika. Mal hören, womit sie mich inspirieren könnte.

Seid ihr Freunde von Digestiven?
Martina: Na klar, wir stellen ja viele geistige Tropfen mit den Produkten unseres Hofes her: https://www.apfelgut.de/products

Moritz: Um ehrlich zu bleiben, je älter wir werden, umso weniger trinken wir Hochprozentiges. Als wir jünger waren, begleitete uns auf jeder Asien-Reise ein gute Flasche Cask-Strenght-Whisky. Davon gab es jeden Abend einen Schluck „on the Rocks“ – also auf Eis – quasi als gesundheitliche Maßnahme. 
… quasi als „Gegenfeuer“ zu dem Verzehrten in den Street-Küchen …
Genauso, da brauchte der Magen schon mal eine Verdauungs-Beschleuniger. 

Nachdenkliches

Ist euch der Begriff Bucket-List geläufig? Also die Dinge, die man noch tun möchte bevor man in 30-40 Jahren den Löffel abgeben könnte… 
Moritz: So lange dauert es ja nicht mehr…

Die Medizin macht gerade wahnsinnige Fortschritte, was die Verlängerung der Lebenszeit angeht.
Martina: Schaun mer mal.

Es gibt den Film mit Jack Nicholson und Morgan Freeman, mit dem Namen „Das Beste kommt zum Schluß.“ Die beiden arbeiten darin ihre gemeinsam erstellte „Löffelliste“ ab – Dinge, die sie unbedingt noch erledigen wollen. Gibt es etwas, was ihr noch tun wollt, was ihr mit uns teilen mögt?
Martina: Ich würde wahnsinnig gerne noch mal nach Thailand reisen und das erleben, was ich in den 70er Jahren dort erlebt habe. Ich weiß aber, dass sich das nicht wiederholen lässt. Hans Enzensberger hat schon in den 60er-Jahren gesagt: „Der Tourist sucht etwas und in dem Moment wo er es findet, zerstört er es.“ Da ist etwas Wahres dran. Das haben wir immer so empfunden. Wir haben zum Beispiel eine kleine Insel südlich von Phuket für uns entdeckt. Es war ein kleines Hotel mit winzigen Hütten und quasi keinen Touristen.
Moritz: Geführt von einer Äbtissin eines Klosters, die sich immer erträumt hatte, in der Natur zu leben, mit einem Strand in der Nähe, Fischen und Kräutern.
Martina: Ganz, ganz einfach – für viele Menschen wahrscheinlich zu einfach. Wir haben es damals großartig gefunden. Man machte die Tür auf und vor einem lag das türkisfarbene Meer und ein weißer Strand.
Moritz: Es duftete nach den Kräutern aus dem Garten der Äbtissin, die Vögel jubilierten … es war einfach ein Traum. 

Als wir nach einem Jahr an diesen Wohlfühlort zurückkehrten, war diese Idylle zerstört – aufgrund der … und durch die Touristen.
Martina: Also sollte man nichts erstreben, was die Vergangenheit wiederholt.

Wenn sich die Menschen in 50 Jahren an euch erinnern … falls die Medizin nicht ganz große Schritte macht … welche Botschaft würdet ihr geankert haben wollen? Martina: Unsere Botschaft ist heute … und morgen … und übermorgen … und immer: Das das gute Essen … das Interesse daran, die guten Lebensmittel und die schönen Produkte zu finden, zu erkennen, sie richtig zu verarbeiten … das die Basis unseres Lebens ist. Es ist unsere Mission dieses Vergnügen und diese Leidenschaft mit möglichst vielen Menschen zu teilen. Dafür leben wir, das macht uns glücklich.
Moritz: Wir hatten gehofft, dass es mit dem Aufkommen der „grünen Welle“ eine Allianz zwischen den Naturfreunden und den Feinschmeckern geben würde, weil die sich eigentlich anbietet.
Wie sagt uns unser Freund der Fische züchtet so treffend: Man darf nicht von menschlichen Gedanken ausgehen, wie die Fische gehalten werden, sondern man muss aus der Sicht des Fisches denken. Das gilt für alle Lebewesen. Auch für Ochsen, Schweine etc. Wobei das Beispiel mit den Ochsen hinkt, weil die ja kastriert sind. Moritz scheint sich zu verlieren im einsetzenden Gelächter. Sein Kopfkino legt gerade einen Stummfilm auf seine Stimmbänder. Jetzt fängt er sich wieder.
Moritz: Man muss sich reinversetzen in das Wesen, was man schützen will und die Pflanzen, die man groß ziehen will. Dann ist man ganz nah dran. Solche Menschen haben wir in Thailand kennengelernt. Wenn man so denkt, dann wären Aufzucht, Pflege, Hege und Genuss eine Einheit – das ist mein Traum. 

Kochkurse

Ist es euch recht, wenn wir die Leserinnen und Leser auf eure Fährte setzen. Macht ihr immer noch Kochkurse?
Martina: Na klar, natürlich. Wir sind zwar regelmäßig ausgebucht, deswegen gerne rechtzeitig anmelden. 

Kochbücher

Bei der imposanten Anzahl an veröffentlichten Büchern … wer schreibt von euch? Oder lasst ihr schreiben? 

Martina: Wir schreiben beide … und wir schreiben ungebrochen … und zwar nach dem Lustprinzip. Wenn die Buchidee steht und wir die ungefähren Inhalte geklärt haben, geht’s los. Jeder schreibt was ihm Spass macht und der jeweils andere redigiert. 

Moritz: Manchmal geht’s ganz einfach und manchmal halt nicht, insbesondere wenn man sich im Redigat überhaupt nicht mehr wieder findet. Das sind Momente, wo auch Türen schon mal etwas kräftiger ins Schloss fallen. Wir hatten das wunderbare Glück das Buch „Die kulinarischen Abenteuer des Commissario Montalbano“ von Andrea Camilleris zu schreiben. Camilleri ist eine Kultfigur in Italien. Wir haben uns die Protagonisten aus seiner Romane vorgenommen, sie besucht, deren beschriebene Leidenschaften nachvollzogen, die Original-Handlungsorte und – Restaurants aufgesucht und die Menschen um Rezepte gebeten.
Martina: Dieses Buch haben wir in dem Sommerhaus einer Winzerfamilie geschrieben, zu der wir über Freunde gekommen sind. Das war der kälteste und schneereichste Winter seit Menschengedenken, in dieser Region. Dort saßen wir mit unseren Laptops in separaten Zimmern und haben geschrieben – bis ich merkte, dass die Schneeflocken auf meine Tastatur wehten.
Moritz: Man kannte in Sizilien nicht die gute Funktion eines Fensterkitts. Dort wurden die Fensterscheiben lediglich mit Latten vernagelt. Die Spalten, die sich aufgrund des bei Temperaturwechseln arbeitenden Holzes ergaben, hat man als Gottgegeben hingenommen. Bei unserer Schreibzeit dort, klirrte das Holz im Rahmen – im Duett mit dem Zischen des Windes. Ich habe dann kleine Papierkügelchen geformt und sie zwischen Glas und Rahmen gesetzt. 
Martina: Eines Abends hatten wir unsere Gastgeber zum Essen eingeladen. Draussen tobte ein Sturm. Wir haben gekocht und geschlemmt. Irgendwann steht der Gastgeber auf und geht auf’s Fenster zu. Als er die geräuschpuffenden Papierkügelchen entdeckt hat uns uns sympathisch-humorvoll für bekloppt erklärt.
Moritz: Erzählt habe ich das, weil Martina und ich uns seinerzeit unsere Texte über USB-Sticks rüber geschoben habe – ohne uns zu verheddern, während dieser vierwöchigen Schreib-Enklave.
Martina: Das ist heute im Zeitalter von Clouds kein Thema mehr, damals war das schon eine Herausforderung für uns beide. 

Zielgerade

Wer von euch ist der bessere Zuhörer?
Die wirklich erste Gedankenpause bei den beiden setzt ein.
Moritz: Wüsste ich nicht.
Martina: Er hört wohl zu, wenn ich ihm vorher sage, dass er zuhören soll. Dann tut er’s auch.

Das Gelächter meiner Gattin zerreisst mir das Trommelfell – so wird das nix mit dem Zuhören.

Sprechen wir über den aktiven Part eines Gespräches. Man sagt, dass Frauen im Schnitt 30.000 Wörter pro Tag sprechen – Männer hingegen nur 25.000 Wörter. Ist das bei euch genau so?

Martina: Also, es gibt Tage, da sprechen wir echt wenig. Zum Beispiel an dem Tag nach einem Kochkurs – da sind wir beide relativ stumm. Drei Tage Kochkurs, mit all den nachvollziehbaren Fragen der Teilnehmer, das saugt dich aus.
Moritz: Danach ist selbst ein erst gemeintes „Guten Morgen“ eine überflüssige Quatscherei.

Den letzten Part widme ich meiner Frau. Ich verfolge euch beide schon echt lange. Der Ausstrahlung eures TV-Formates schloss nahtlos die Sportschau an. Das passte damals auch immer gut mit den Sendezeiten der Sportschau. Aber worauf ich hinaus will ist, das mit zunehmenden Alter möglicherweise die Harmonie zuzunehmen scheint. Ich finde euch viel relaxter, als vor Jahren im Fernsehen.
Moritz: Wir spielen nicht mehr so viel.
Martina: Du hast doch auch schon graue Haare, wie denkst du darüber? Wirst du nicht auch ruhiger, gelassener?
Ja, das ist so.
Moritz: Man muss dazu sagen, dass wir in den Anfangsjahren alles etwas unterhaltsamer und lebendiger im Fernsehen gestalten wollten und so sind wir da in eine Nummer reingewachsen, die wir kultiviert haben. Wenn Martina befahl: „Schneid die Zwiebeln klein“ dann haben die Leute das als witzig empfunden, wenn sie mich anschliessend zurecht gewiesen hat, dass ihr diese nicht fein genug waren. Mit solchen Elementen haben wir gespielt. Dann bekamen wir einen neuen Ressortleiter beim WDR. Dem gefiel das nicht, dass Martina immer die Dominante spielte. Nach zwei bis drei Stunden Diskussion haben Martina und ich beschlossen das Setting zu ändern. Mit der Folge, dass sie in der nächsten Sendung Gegenwind von mir bekam – ich sie angeblasen habe. Eine Minute nach Ausstrahlung dieser Folge hatte ich den Ressortleiter am Draht, mit den Worten: „Recht so. Jetzt haben sie es ihr endlich mal gegeben.“

Die allerletzte Frage. Welche Frage wäret ihr unheimlich gerne gefragt worden, die ich vergessenen habe zu stellen? Muss noch irgendwas raus?
Moritz: Mein Blick fällt auf den Spüllappen hinter dir: „Traue keinem schlanken Koch.“ Ein schönes Schlusswort nach 65 Minuten. Das Ziel mit den 18 Minuten (welches nicht wirklich eines war) haben wir verfehlt. Dagegen vermelden wir ein „Treffer versenkt“ zu einem herzerfrischend ehrlichem Interview mit einem sehr harmonisch-geselligen Paar.Das Bereichernde an solchen Interviews für uns sind die neuen Impulse und Anregungen. Da sind wir heute reichlich beschenkt worden. Unsere persönliche to-do-Liste ist um folgende Doings bereichert worden:

  • Moritz Brotaufstrich nachbrutscheln
  • Kitchen Aid in den Arm nehmen
  • Martina’s Lieblingsgewürz Vadouwan bestellen
  • Thunfisch-Bottarga aus Sizilien oder Bottarga de Muggine aus Sardinien organisieren
  • Salzzitronen ansetzen Il viaggio a Reims von Rossini auf dem Weg nach Italien hören
  • Makrelen beizen
  • Wildbach-Forelle genießen
  • Champagner von Drappier verkosten
  • Ina Smith nach Alternativen zu Coulée de Serrant antickern
  • „Die kulinarischen Abenteuer des Commissario Montalbano“ von Andrea Camilleris bestellen und lesen
  • Mit Kirsten gemeinsam ein weiteres Buchprojekt starten: „Die kulinarischen Abenteuer des
  • Bruno – Chef des Police“
  • Martina & Moritz einen Gegenbesuch abstatten, um den „Weltbesten Eierlikör“ zu probieren

Ich habe fertig.