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Schnell wie die Feuerwehr – Erste Hilfe am Tier

Okt 6, 2022 | LesensWertes

Text: Dr. simone Möllenbeck

Seit Beginn der Urlaubszeit werde ich in meiner Sprechstunde wiederholt gefragt, was zu tun sei, wenn der schnelle Wippet „Judy“ sich einen Dorn in die Pfote eingetreten hat, wenn an der Lefze vom frechen Terrier „Dusty“ eine Zecke sitzt, wenn die schöne Cocker-Spaniel-Dame „Bella“ eine blutende Wunde an ihren langen Hängeohren hat oder wenn die Bearded-Collie-Hündin „Lexi“ in den Augen vom Dünensand geärgert wird.

Ob daheim, an der Nordsee oder in Südtirol, für Hundebesitzer gilt überall: Die richtige Erste-Hilfe-Tasche und das richtige Know-how kann nicht nur den Urlaub, sondern auch Leben retten. So benötigen Sie für einen einfachen Pfoten- oder Ohrenverband neben einem Tupfer oder einer sterilen Kompresse zur Wundauflage auch Watte zum Polstern sowie eine elastische Binde und Pflasterrolle zur Fixierung des Verbandes. Gut wenn die Wunde zuvor mit einer Wundspüllösung und darauffolgend mit Wundsalbe behandelt wurde.

Im Notfall kann mit einer Mullbinde ein Schnauzenband angelegt werden, denn so gut gemeint Ihre Erste-Hilfe- Maßnahmen sind, möglicherweise reagiert Ihr Hund unter Schmerzen aggressiv, so dass Sie sich vor Bissen schützen müssen. An dieser Stelle sei gesagt, dass Selbstschutz das oberste Gebot der Ersten Hilfe ist. Auch der mutigste Retter sollte nicht gleich lebensmüde werden! Zum Instrumentarium des Rettungssets gehört auch eine Verbandschere sowie eine Spritze zur Wundspülung oder zur oralen Eingabe von Flüssigkeiten.

Aus hygienischen Gründen sind auch Einmalhandschuhe sinnvoll, denn der ein oder andere Erreger ist auf den Menschen übertragbar. Wer ein Thermometer benutzt, sollte wissen, dass die normale Körpertemperatur des Hundes zwischen 37,5 °C und 39,0 °C liegt. Der Einsatz einer Zeckenzange und eines Flohkamms hilft bei der Beseitigung lästiger Parasiten. Die bisher genannten Utensilien sind die Basis einer guten Ersten-Hilfe-Tasche, die Ihre Tierarztpraxis für Sie bereithält. Praktisch, wenn Sie auch eine Broschüre als Leitfaden für unterwegs erhalten.

Nützliche Ergänzungen sind eine Rettungsdecke zum Wärmen oder Kühlen des Patienten, ein Beatmungstuch für die Mund-zu-Nasen-Beatmung, ein Kühlkissen zur Abschwellung entzündlicher Veränderungen und Watte- stäbchen zum Ausräumen von Wundhöhlen. Krallenscheren sind vielseitig einsetzbar, sie schneiden sogar Äste, so dass die Hölzer zur Fixation von Knochen- brüchen genutzt werden können. Zur Überprüfung des Pupillenreflexes und zum Ausleuchten der Maulhöhle dient eine Taschenlampe. Darüber hinaus können nach Absprache mit Ihrer Tierärztin oder ihrem Tierarzt individuelle Medikamente für Tiere mit chronischen Erkrankungen beigelegt werden. Dazu gehören beispielsweise Mittel gegen allergischen Schock oder Epilepsie sowie Beruhigungsmittel.

Wenn Sie über spezielle Methoden der Ersten Hilfe informiert werden möchten, dann nehmen Sie doch an einem Kursus teil. Diese Seminare werden von einigen Tierarztpraxen oder Hundeschulen angeboten. Dort werden Maßnahmen bei diversen Problemen wie Magendrehung, Vergiftung, Knochenbruch, Beinahe- Ertrinken, Schock usw. besprochen. Natürlich können Sie mit Ihrem Engagement Leben retten. Dennoch sollte zu guter Letzt der Patient der Tierärztin oder dem Tierarzt vorgestellt werden, um quasi die Zweite Hilfe zu leisten. Nur von Fachkräften kann entschieden werden, ob Hund und Frauchen oder Herrchen mit einem Schrecken davongekommen sind, oder ob sich ein kleines Problemchen zu einer Katastrophe entwickeln könnte!

Aus diesem Grund sollten die Kontaktdaten einer geeigneten Anlaufstelle sowohl daheim als auch im Urlaub schnell zur Hand sein. Tipps, welche Kleintierpraxis oder Tierklinik in welchen Situationen zur Stelle ist, erhalten Sie in Ihrer Tierarztpraxis. Erfreulicherweise ist es uns zusammen mit anderen Tierarztpraxen gelungen, seit August 2022 einen Notdienstring zu bilden, so dass auch in dieser Region an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen jeweils von 10 bis 12 Uhr und von 16 bis 18 Uhr eine Notfallsprechstunde nach vorhergehender telefonischer Vereinbarung angeboten wird.

Welche Kleintierpraxis oder Kleintierklinik im Notfall für Sie dienstbereit ist, erfahren Sie auf der Bandansage Ihrer Haustierarztpraxis. Beachten Sie bitte, dass die Organisation einer Versorgung im Notdienst mit einem hohen personellen Aufwand verbunden ist. Darum ist es gesetzlich vorgeschrieben, eine Notdienstgebühr von 50 Euro netto und für die tierärztlichen Leistungen einen erhöhten Satz der Tierärztlichen Gebührenordnung (GOT) zu verlangen. Vor diesem Hintergrund kommt der ein oder andere Tierbesitzer doch zu dem Schluss, dass nach der Erstversorgung durch den Besitzer die Vorstellung in der Tierarztpraxis noch bis zum Wochenstart warten kann. In akut lebensbedrohlichen Fällen warten Sie aber bitte nicht ab, sondern nehmen sofort Kontakt zum Notdienst auf.

Ihnen wünsche ich einen schönen Spätsommer, in dem Sie Ihre Erste-Hilfe- Tasche hoffentlich nicht zum Einsatz bringen müssen. Sie hören im Oktober wieder von mir mit meinem Beitrag „Alles für die Katz? – Homöopathie in der Tiermedizin“. Ihre Dr. Simone Möllenbeck