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TKG – Die Entschlüsselung eines Gerichtes

von | Mrz 3, 2022 | Kulinarik

 — und was man daraus für’s Leben ableiten kann 

Fotos: Kirsten Buß & Text: Roland Buß

Diejenigen von euch, die als Kind, Eltern oder Ur-Eltern mit den Protagonisten Tim, Karl, Klößchen und Gaby großgeworden sind, könnten auf Anhieb ein „K“ in der Headline vermissen. In den Jahren 1979 bis 2011 stand TKKG als Akronym für diese Bande von Jugendlichen, die Kriminalfälle löste unterstützt durch Gaby’s Hund Oskar und ihrem Vater, dem Kriminalkommissar Emil Glockner. Verlassen wir die falsche Fährte und begeben wir uns auf die richtige Spur. 

Im letzten PAN stand ab Seite 44 „Die kulinarische Vernehmung einer Käse-Dealerin“ zu lesen. Es war Verena Marke, die Inhaberin von Käse Hessling, die auf die Frage nach ihrem absoluten Nicht-Käse-Lieblingsgericht mit „Tom Kha Gai“ (TKG) antwortete. Antwortgeschwindigkeit und Verena’s Lächeln unterstrichen ihr aufrichtiges Bekenntnis zu dieser Thailändischen Nudelsuppe — mit einem gekochten Huhn als Hauptdarsteller.

Das kann doch alles kein Zufall sein, fuhr es mir seinerzeit durch den Kopf. Seit einiger Zeit beschäftigen wir uns im PAN mit außergewöhnlichen, kuriosen Feiertagen. Wusstet ihr eigentlich, dass am 13. März der internationale Tag der Hühner-Nudelsuppe gefeiert wird. Kein Witz — lest selbst: https://www.kuriose-feiertage.de/tag-der-huehnernudelsuppe/

Somit stand schon am 19. Januar 2022 (dem Vernehmungstermin mit Verena) das Thema für diese Kitchen-Story fest. Warum? … und was das mit dem Leben zu tun hat … dazu später mehr. 

Aus der handschriftlichen Notiz „TKG umsetzen“ wuchs eine MindMap. Quasi ein Einkaufszettel nebst Bauanleitung für das zu kreierende Gericht. Das wir nicht die klassischen Rezeptköche sind, habe ich schon des Öfteren erwähnt. Und so entwickelten sich die Gedanken mit den Recherchen von Herkunft und unterschiedlichster Rezepturen im Netz. 

Notizen zu den Zutaten: 

Hühnchen, Braune Champignons, Shi Take, Austernpilze, Ingwer, Karotten, Paprika, Frühlingslauch, Kokosmilch, Hühnerbrühe, Soja-Sauce, Fischsauce, Limettensaft, Zitronengras, Ingwer, Koriander, roter Chili, Kokosblütenzucker, Chili-Öl, Sambal-Olek, Minze, Jasmin-Reis. 

Die vorgenannten Zutaten lassen sich auf dem Bocholter Wochenmarkt und in gut sortierten Lebensmittelgeschäften zusammentragen. Bei den nachfolgenden Zutaten wird es deutlich schwieriger — deswegen platzieren wir einen persönlichen Appell an euch liebe Marktbeschicker, liebe Menschen, die ihr mit Lebensmitteln handelt. Warum in der Ferne schweifen, wenn das Gute so nahe liegen könnte? Warum müssen die Menschen aus der Region bis Arnheim oder sonst wo hinfahren, um Zutaten einzukaufen, die die echten Aromen asiatischer Küche ausmachen? Sowohl Trend der Asian-Cuisine, als auch Kaufkraftbindung vor Ort und Kunden-Orientierung könnten dafür sprechen, einen Testballon zu starten oder? 

Most-Wanted-Zutaten 

Thai Basilikum, Thai-Ingwer (Galangal), Kaffir-Limettenblätter, Curry-Blätter etc.

Da geht es nicht um „den Schmuck am Nachthemd“, sprich um überflüssiges Küchen-Chi-Chi, sondern um Geschmacks-Turbolader. Kräuter, die dem Gericht eine vollkommen andere Richtung geben. Was meine ich damit? Es sind Zutaten und andere Momente wie das Goa-Curry vom Gewürz-Fetischisten und ehemaligem Sternekoch Ingo-Holland. Wenn ihr so etwas ans Gericht gebt, dringt ihr genuss-technisch in eine Welt vor. Der Duft, der sich in der Küche breitmacht, sorgt für Standing-Ovations eurer Nasenflügel und die eurer Gäste — noch bevor ihr einen Bissen zum Mund geführt habt.

Ich weiß, „Das Leben ist kein Ponyhof“ und wir sind auch nicht bei „Wünsch dir was“, aber da draussen rennen Menschen rum, die geben 1.359 Euro für eine Häckselmaschine in der Küche aus. Ein kleines Indiz für Kaufkraft und Bereitschaft, für eigen produzierte Nahrung Geld auszugeben. Diese Menschen werden irgendwann müde, Brokkoli zu schreddern, die brauchen Alternativen — wir übrigens auch! 

Das musste mal geschrieben werden — zurück zum TKG (Tom Kha Gai). Hinsichtlich der Bauanleitung verweise ich gerne auf die von Kirsten geschossenen Impressionen. Ziel ist und bleibt es, euch zu inspirieren, zu ermutigen eigene kulinarische Pfade anzulegen und auf denen zu wandern. Rezepte findet ihr im Netz wie Kies am See. Die Kunst besteht darin, nur die Zutaten miteinander ins Schwingen zu bringen, die euch schmecken könnten. Wenn ihr Kreuzkümmel genau so doof findet wie ich, sollte man kein Rezept wählen, wo Kreuzkümmel drin vorkommt bzw. ihn weglassen. So einfach ist das mit der Kocherei.  Bei den Rezepten zum TKG findet ihr neben der Variante mit dem Hauptdarsteller Hühnchen auch Abwandlungen mit Fisch, Meeresfrüchten oder Fleisch. Auch da ist jeder seines Glückes Schmied. Und wenn man sich nicht entscheiden kann, dann macht man einfach eine TKGS & T – Tom Kha Gai im „Surf & Turf-Modus“! Zum Beispiel mit Rindfleisch und Gambas.

Wichtig ist, das erkennt ihr auch auf den Bildern, dass ihr die einzelnen Zutaten separat anbratet und zwar so, dass alles noch einen schönen Biss hat. Die Vermählung erfolgt erst nachher in der Hühnerbrühe, die ihr ebenfalls separat angesetzt habt. Diese wird dann zum Sammelbecken für all die Zutaten, die ihr für euch auserkoren habt. Die Aufmerksamen unter euch werden auf den Bildern die Nudeln vermissen. Die gab es bei uns am zweiten Tag, wo wir das durchgezogene Gericht nochmal kurz aufgekocht haben. Wir haben Ramen-Nudeln verwendet. Wie ihr seht, haben wir an Tag 1 Reis zur Tom Kha Gai serviert. Und zwar Jasmin-Reis, den wir mit frischem Koriander, gerösteten Pinienkernen, frischem roten Chili und einem Schuss Erdnussöl getunt haben. 

 

Fehlt noch der Punkt, was man daraus für’s Leben ableiten kann: 

2011 habe ich an einer sogenannte Masterclass mit Jörg Löhr teilgenommen — einem der führendsten Persönlichkeitstrainer im deutschsprachigen Raum. In den zurückliegenden 10 ½ Jahren habe ich die für mich wichtigste Botschaft aus diesem Workshop konserviert und mit Leben gefüllt:

Die 72-Stunden-Regel 

https://www.youtube.com/watch?v=BLJb3KFZm_g

Die besagt, dass alle Vorhaben, die du innerhalb von 72 Stunden ins Handeln bringst, eine über 90-prozentige Erfolgsaussicht besitzen — bei kleinen, wie auch bei großen Dingen. So war es mit dem Leibgericht von Verena, dem Welt-Hühnersuppen-Tag und der Idee für dieses Gericht und somit für diese Story. Die Notiz in meinem kleinen Moleskine, was ich immer bei mir trage, floss in meine Wochenplanung ein. Daraus wurde die besagte Map nebst Einkaufszettel. Es folgten einige Einkaufserlebnisse und letztendlich das Runterschreiben dieser Story. 

Einen Gedanken möchte ich noch mit euch teilen: „Mit zunehmendem Alter sollte sich die Entschlussgeschwindigkeit proportional verkürzen“ eine Einsicht, die gelegentlich Spannungen in dem spannenden Leben mit der Herausgeberin des PAN garantiert. Vornehmlich dann, wenn meine Frau vor einem nicht endend wollenden Joghurtregal flaniert, als gelte es einen neuen PKW auszuwählen. Ich würde lieber mit 104 Jahren beim beherzten Griff nach einer interessant aussehenden Weinpulle dahin scheiden, als während eines mehr-minütigen oder gar mehr-stündigem Selektions-Prozesses eines Überangebotes. Das lässt sich auf alles Mögliche übertragen. Ertappt ihr euch auch gerade bei den Gedanken, wieviel Zeit wir für’s Suchen vergeuden statt für’s Genießen oder nach dem Finden? 

Hättet ihr das für möglich gehalten, welche Weisheit in einer Nudelsuppe stecken könnte — mit Ausnahme einer Buchstabensuppe!

Wir hoffen, euch inspiriert zu haben und wünschen euch ein entspannt-geselliges Nachbrutscheln. Bleibt gesund, pflegt eure Gastfreundschaft und genießt das Leben!

Kulinarisches PS: Wir sind uns ziemlich sicher, dass wir euch in einer der nächsten Ausgaben entschlüsseln, welches Geflügel wir bevorzugt verwenden und wo man dieses in der Region  erobern kann — vorausgesetzt, die jeweiligen Dealer wollen das? 

Euer PAN-Kitchen-Story-Team