Foto: Kirsten Buß // Text: Roland Buß
Ikonen in Flaschen | Monumente aus einem denkwürdigen Jahrgang
Dienstag, 07. Januar 2025 – Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah … sprich in der Bismarckstraße Nr. 7
Mal wieder habe ich mich mit Fellnase Paula auf den Weg gemacht, um ein paar schöne Tropfen zu „jagen“. Mit einer Selektion von Rot- und Weißweinen von Paul Mas aus dem Languedoc wandern ein paar der „üblichen Verdächtigen“ in meine Markttasche. Den Part des Rosé übernimmt die „Leichtigkeit des Seins“ – ebenfalls aus der Region Frankreichs, die für bezahlbare Weine in einer extrem guten Qualität bekannt ist. Diese Vertreter sorgen stets für einen wertschätzenden Augenaufschlag bei unseren Gästen, während sich der Geldbeutel nicht grämen muss.
Paula ist kraft Größe und Schnüffel-Passion eher in den unteren Etagen unterwegs – auch im Weinladen unserer PAN-Gefährtin und Nachbarin Petra Niemeyer. Ein paar Weinkisten aus Holz scheinen es ihr angetan zu haben – mir auch, nach dem Zurechtrücken meiner Lesebrille. Dort steht seit jüngstem ein stattliches Depot des kalifornischen Kultweines OPUS ONE – einem Joint Venture der inzwischen verstorbenen Wein-Giganten Robert Mondavi und Baron Philippe de Rothschild, deren Konterfeis immer noch auf den Flaschen abgebildet sind.
Circa drei Jahrzehnte ist es her, dass ich mit einem Zinfandel von Robert Mondavi den ersten Tropfen aus der „Neuen Weinwelt“ verkostete. Eine ungebrochene Faszination, die nicht einmal die jüngsten Wahlergebnisse aus dem „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ zu trüben vermögen. Politik bzw. Spaß beiseite – wobei … manches lässt sich am besten mit Humor ertragen … oder mit einem ordentlichen Schluck Wein gegen den Kummer – wobei das keine Lösung ist. Der Wein sollte dem Genuss vorbehalten sein, nicht den Sorgen!
Das, was da vor uns im Weinladen steht, ist eine stattliche Batterie von Ikonen internationaler Weinkunst – auf Flaschen gezogen. Ein Joint Venture der damals schon hochbetagten Wein-Passionisten aus Frankreich (Rothschild) und Kalifornien (Mondavi), getragen von der Vision, das Beste aus beiden Welten … sprich alter und neuer Weinwelt … zu verbinden.
Während ich in Erinnerungen schwelge, zieht es Paula zu den Beuteln mit Trüffel-Chips, die das Weinhaus für Genussfreaks parat hält. Unsere „Gourmet-Töle“ hat ein echt feines Näs’chen ;-). Während sie augenscheinlich mit den Gedanken spielt, wie viel sie von den „erbeuteten“ Chips heute Abend wohl abbekommen könnte,
zehre ich von den Erinnerungen an ein legendäres Blind Tasting aus dem Jahre 1998. Als einer von 352 Teilnehmern einer Blindverkostung wurde ich Augen- und Gaumenzeuge, wie zwei Weine aus dem Hause Mondavi so große Namen wie Chateau Lafite Rothschild (aus einem anderen Zweig der Bankiersfamilie Rothschild) und Chateau Margaux in die Knie zwangen. Denkwürdig-beeindruckend … so die Juroren, die in Paris, London, Den Haag, Kopenhagen, Zürich und Düsseldorf ihre Nasen in die Weingläser steckten und ihren Gaumen mit insgesamt sechs Rotweinen vergleichend umspülten. Für mich die Neuauflage eines vinologischen Kräftemessens, welches mich in dem Kinofilm „Bottle Shock“ fasziniert hatte. Notiz an mich selbst: Heute Abend das Movie mit einem schönen Tropfen noch mal genießen.
Zurück zur Gegenwart … zum OPUS ONE, der im Weinhaus schlummert, und dem Zweitwein mit dem Namen OVERTURE, deren Namen eine Hommage an den Vordenker dieses Joint Ventures zum Ausdruck bringen.
Ich brauche keine zweite Hand zum Zählen der Momente, in denen ich einen OPUS ONE im Glase schwenken und verkosten durfte – jeder von ihnen hat sich in meinen Synapsen eingebrannt. Im Stile der großen Bordeaux bestehen Erst- und Zweitwein aus den Rebsorten Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Petit Verdot, Merlot und Malbec. Die Anteile variieren je nach Jahrgang … richtiger ausgedrückt … sie werden von den Winemakern komponiert – in Anlehnung an das lateinische Wort OPUS, die Bezeichnung für ein musikalisches Kunstwerk.
Im Internet findet man Quellen, wonach es Menschen gibt, die diese Weine als ideale Begleiter zu Rindfleisch, Lammkoteletts und Wildgerichten empfehlen. Das wäre in meinen Augen genauso suboptimal-intelligent, als wenn man das legendäre Parfüm CHANEL N°5 mit einer ordentlichen Brise Old Spice überlagern würde ;-). Man kann das tun, man muss es aber nicht … wie so oft: „Too much is Quatsch.“ Beide Weine haben verdient, pur genossen zu werden … gerne in amtlichen Gläsern, die ihrer würdig sind. Als Beilage empfehlen wir etwas Cineastisches oder etwas Schönes für die Ohren. Als Filme empfehlen wir den schon erwähnten „Bottle Shock“ oder auch den Klassiker „Sideways“ – zwei Movies, die uns die Weinwelt Kaliforniens näherbringen.
Vielleicht dient uns der Jahrgang 2021, aus dem beide Weine aus dem Weinhaus-Depot stammen, bei der Auswahl der passenden Musik? Was sagt Google zu positiv herausragenden Ereignissen im Jahr 2021? Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2021 zum Jahr des Obstes und Gemüses erklärt – dazu zählen sicherlich auch erlesene Trauben ;-). Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 2021 zum Internationalen Jahr des Friedens und des Vertrauens erklärt. Das waren noch Zeiten … Joe Biden wurde zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gekürt und die Menschen der Ukraine lebten in Frieden und Freiheit.
Weiter lese ich, dass Beethovens zehnte Sinfonie von künstlicher Intelligenz zu Ende komponiert wurde.
Mein Fazit: Nicht trinkbar … für die Ohren 😉 … weil dieses KI-Ding einen komischen Beigeschmack entwickelt. Wie nennt man das eigentlich, wenn ein Wein ideologisch korkt … vielleicht müssen wir uns künftig an den Begriff „er ki-it“ gewöhnen? Den ersten Whisky, der von einer künstlichen Intelligenz ersonnen wurde, gibt es bereits. Ich schweife ab … zurück zur Musik.
Als Klassik-Banause schießt mir „Fools Overture“ in den Sinn – ein episches Stück von Supertramp und seinem Mastermind Roger Hodgson.
Vertrag mit mir selbst: Ich werde eine Flasche 2021er OVERTURE by OPUS ONE für uns ergattern. Ein trinkbares Relikt einer scheinbar heileren Welt – den wir zu einem ganz besonderen Moment entkorken werden – genau zu diesem Musikstück, der „Ouvertüre der Narren“. Genau in dem Moment, wo wir der Narren müde und überdrüssig geworden sind. Wo endlich wieder der gesunde Menschenverstand die Oberhand auf unserem Planeten gewinnt … wo Menschen Verantwortung tragen, auf die wir einen Toast aussprechen können – statt ihnen die Intelligenz eines Toastbrotes zuzuschreiben.
Den besagten Weinen ist Lagerpotenzial bis ins Jahr 2065 zugeschrieben – wobei sie bereits ab dem Jahre 2027 trinkreif sind. Ich bin zuversichtlich, dass wir nicht zu lange warten müssen, um den Korken aus unserer „Flasche der Vernunft“ ziehen zu dürfen.
In diesem Sinne
mit vinologischen Grüßen auch von den Mädels aus dem Weinhaus
PS:
Beide Kult-Tropfen sind zweifellos keine Weine für jeden Tag, sondern für große Momente. Solltet ihr eine besondere Verbindung zum Jahrgang 2021 haben, wäre es eine gute Idee, sich mit einem solch merkwürdigen Tropfen daran zu erinnern. Wenn ich die Anzahl der Bouteillen richtig erfasst habe, sind es jeweils 30 Flaschen (OPUS ONE und Overture), die im Weinhaus auf diejenigen warten, die solche Tropfen zu würdigen wissen. Nicht viel, möge man meinen – beachtlich viel, wenn man um deren Kultstatus weiß. Beide gehören übrigens zu den Weinen, die man als „flüssige Kapitalanlage“ bezeichnen darf, da sie nachweislich im Wert stetig steigen – auch ein Motiv, sich solche Tropfen zu sichern. Selbst das „Flaschenpfand“, was bei Weinen eher unüblich ist, bewegt sich in unvorstellbaren Dimensionen. Bei eBay-Kleinanzeigen war unlängst eine geleerte 6-Liter-Flasche eines 1986er OPUS ONE eingestellt – für 1.499 Euro ;-).
Für uns ausschlaggebend ist der emotionale Moment, den wir mit dem Entkorken eines solchen Weines verbinden – gerne im Kreise von Menschen, die das zu schätzen wissen.
An dieser Stelle wäre möglicherweise ein Hinweis auf die Preise der Weine angemessen. Beide Weine sind deutlich teurer als eine Flasche Old Spice und … günstiger als ein 35-ml-Fläschchen GABRIELLE CHANEL, wie ich gerade auf deren Webseite lese – bei 21,42-fachem Inhalt. Ich weiß, dass der Vergleich hinkt, dass das Äpfel-mit-Birnen-Vergleichen ist. Ich weiß aber auch, dass ein solches Entkorkungserlebnis im Kreise von Freunden mehr Spaß machen kann, als das kollektive Beschnuppern und Anlegen eines Parfüms ;-).
RESPEKT, liebe Petra, fürs Ergattern dieser stattlichen Menge … wir sehen uns im Laden oder am Glase.