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April, April … Meine Hündin ist Scheinträchtig

März 28, 2025 | Tierarzt

Die Natur hat sich wirklich so manche Kuriosität ausgedacht. Eine davon ist die Pseudogravidität der Hündin. Schwer zu glauben, dass eine zarte Chihuahua-Hündin in diesem Zustand als Amme für Welpen einer anderen Hündin fungieren soll, aber auch unsere Schoßhündchen können ihre Abstammung vom Wolf nicht verleugnen und müssen durch das hormonelle Auf und Ab nach der Läufigkeit durch. Warum Hündinnen überhaupt scheinträchtig werden, was wir dagegen tun können und wie wir sie verhindern, erfahren Sie beim Lesen der folgenden Zeilen.

Ursprünglich diente die Scheinträchtigkeit im Wolfsrudel dazu, dass nicht trächtig gewordene Tiere die Leitwölfin bei der Aufzucht ihrer Welpen als Ammen unterstützten, um das Überleben des Rudels zu sichern. Natürlich ist diese Veranlagung bei unseren Haushunden nur noch in den wenigsten Ausnahmen sinnvoll, aber die Evolution schreitet eben nicht so schnell voran, so dass auch kleine Hunderassen durchschnittlich 6 – 8 Wochen nach der Läufigkeit durch das hormonelle Tohuwabohu irritiert sind.  

Zum Ende der Läufigkeit wird weniger Progesteron (Gelbkörperhormon) produziert, was zu einem Anstieg der Prolaktinkonzentration führt. Prolaktin sorgt für eine Anschwellung des Gesäuges und für einen Milcheinschuss. Außerdem ist Scheinträchtigsein auch Kopfsache, denn betroffene Hündinnen adoptieren Spielzeuge aller Art, bauen ein Nest, werden unruhig und möchten sogar ihre eingebildeten Welpen verteidigen. Manche Tiere verweigern das Fressen und mögen nicht mehr Spazierengehen, da die Muttergefühle den Alltag bestimmen.  

Während der Pseudogravidität leidet ihre Hündin nicht nur seelisch, sondern auch körperlich. Das Gesäuge ist teilweise so gespannt, dass es geradezu weh tut. Der Schmerz verleitet den Hund, das Gesäuge zu belecken, was wiederum zur weiteren Milchproduktion und eventuell auch zu Entzündungen führt. Aus diesem Teufelskreis kommt der Patient leider nicht mehr alleine heraus.  

Darum sollten scheinträchtige Tiere in der Tierarztpraxis vorgestellt werden. Zunächst wird Ihre Tierärztin oder Ihr Tierarzt mit Ihnen erörtern, ob eine echte Trächtigkeit vorliegt. Bedenken Sie in dieser Diskussion, dass Ihre Hündin wirklich nur tragend sein kann, wenn Sie von einem Rüden vollständig gedeckt wurde. Hierzu gehört ein Hängenbleiben bei der Kopulation, was bis zu 20 Minuten und länger andauern kann. Ein schnelles Drüber hüpfen von Nachbars Lumpi reicht nicht aus, um schwanger zu werden. In Zweifelsfällen, z. B. wenn sich die Patientin in der vorhergehenden Läufigkeit für ein Schäferstündchen von Ihnen entfernt hat, ist es sinnvoll, mit bildgebenden Verfahren wie einer Ultraschall- oder einer Röntgenuntersuchung eine echte Trächtigkeit auszuschließen. Das ist wichtig, da Medikamente gegen Scheinträchtigkeit die eventuelle Frucht schädigen können.  

Die Therapie der Pseudogravidität ist unspektakulär. Die Gabe eines Prolaktin-Hemmers führt schon innerhalb von einer Woche zur deutlichen Besserung der Symptome. Das Arzneimittel wird als Saft oder in Tablettenform vom Besitzer verabreicht und hemmt die Wirkung des Prolaktins, welches ja für die Gesäugeanbildung und die Verhaltensänderung verantwortlich ist. Darüber hinaus können Sie die imaginären Welpen entfernen, das Nest abbauen und lange Spaziergänge im beginnenden Frühling machen, denn Scheinträchtigkeit ist eben auch Kopfsache.  

Übrigens gibt es lediglich eine sichere Methode, das Auftreten der Pseudogravidität zu verhindern. Nur wenn Ihre Hündin kastriert und damit hormonell stillgelegt wird, kann auf Dauer bei Tieren, die für diese Erkrankung anfällig sind, die Symptomatik einer eingebildeten Trächtigkeit verhindert werden. Über die Vor- und Nachteile einer Kastration informiert Sie Ihre Tierärztin oder Ihr Tierarzt gerne.  

In meiner Kindheit hat mein erster Hund „Raudi“, ein Pudel-Dackel-Mädchen, zwei verlassene Kätzchen adoptiert und ihnen so das Leben gerettet. In diesem Fall hatte das hormonelle Chaos doch noch ein gutes Ende und Prolaktin-Hemmer gab es damals noch nicht …  

Wir alle wissen, dass der Fortschritt der Medizin immer schneller voranschreitet. So ist es auch mit allerhand Arzneimitteln in der Veterinärmedizin. Da wir nach diesem milden Winter mit einem parasitären Hoch rechnen, will ich Sie in meinem nächsten Artikel „Mai! Was tun, damit die Flöhe nicht auf dem Tisch tanzen?!“ über die Neuerungen auf dem Sektor Floh- und Zeckenbekämpfung informieren.  

Schlussendlich wünsche ich Ihnen, dass Sie im April nur mit schönen Scherzen überrascht werden und verbleibe mit den besten Grüßen. 

Ihre Dr. Simone Möllenbeck

Dr. Simone Möllenbeck
Zusatzbezeichnung Zahnheilkunde

Zusatzbezeichnung Heimtiere

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