Fotos: Kirsten Buß // Text: Roland Buß
… und was die „Macht von Notizen“ damit zu tun hat
Donnerstag | 24. Oktober 2024 | 10.57 Uhr | Imping – Das Café
Gestern Mittag haben wir den November-PAN 2024 in Richtung Druckmaschine geschubst – sprich zu unserem Druckpartner D+L übersandt. Eigentlich Zeit, um etwas durchzuschnaufen – wenn da nicht die Passion fürs Schreiben wäre … gerne an schönen Orten … gerne inmitten eines illustren Treibens, wie in einem meiner beiden Lieblings-Cafés in Bocholt. Während Fellnase Paula mit ein paar Damen am Nebentisch flirtet – um ein paar Krauleinheiten und möglicherweise etwas von den appetitlichen Frühstückstellern abzustauben –, rücke ich mein iPad zurecht. Worüber möchte ich schreiben? Ganz klar … über ein spektakuläres und zugleich einfaches Gericht, dessen Premiere unlängst frenetisch von meiner Lady gefeiert wurde – von mir übrigens auch. Gerne teilen wir Story und Details mit euch – Inspiration und Ermutigung zugleich.
Rote Bete – unsere bisherige Sicht auf diese Rübe
Gerne hole ich etwas weiter aus: Es dürfte um die Jahrtausendwende herum gewesen sein, dass mich im Ahrtal ein sogenanntes „Winzersüppchen“ aus den Schuhen gehauen hat – so lecker war es. Sauerkraut als Basis, welches in einem leichten Weißwein-Rahm-Süppchen geschmacklich perfekt ausbalanciert war. Mit einem Inlay von Blutwurst – als schwimmende Garnitur: Petersilie und Röstzwiebeln.
Der Nachbau am heimischen Herd war relativ einfach. Beim Verkosten keimte die Idee auf, ein rotes Pendant dazu zu kreieren … ich finde Rotkohl noch spannender als Sauerkraut. Ersonnen, umgesetzt … für toll befunden – seitdem bereichert ein Rotkraut-Burgunder-Süppchen unseren kulinarischen Horizont, nebst der Sammlung von eigens kreierten Rezepturen.
Irgendwann habe ich festgestellt, dass dieser herbstliche „Gassenhauer am Gaumen“ noch besser und farbenprächtiger daherkommt, wenn man einen anständigen Schuss Rote-Bete-Saft zum Finale dazugibt. Dieses intensive, fast schon knallige Rot der Suppe im Kontrast mit einem Klecks Crème fraîche und geschnittener, glatter Petersilie – ein echter Hingucker.
Rote Bete an sich fand ich schon immer toll – schon damals in der mütterlichen Küche. Allerdings vornehmlich in eingelegter Form … in den bekannten Scheiben oder Kugeln.
Dieses Gemüse selbst zuzubereiten scheute ich bislang wegen der Sauerei und der roten Finger – die Folge meiner wenigen Experimente waren. Und so mussten wir mit dem leben, was die Gläser hergaben … sprich dem vor-konfektionierten Geschmack der jeweiligen Rote-Bete-Fabriken 😉 Teilweise zu sauer, teilweise zu süß – oftmals habe ich mit Honig oder Balsamicoessig eine eigene Note daran gebracht.

Rote Bete – neu gedacht
Letztendlich war es eine Begegnung Ende September mit Robert Vogel und seiner Frau Christiane vor der legendären Osteria No.5 in Bocholt, die eine Wende herbeiführte, Rote Bete anders zuzubereiten. Während ich, auf der abendlichen Runde mit Paula, bei unseren kulinarischen Freunden Mario und Pippo Station machte, um ein Glas „Brezza“ und einen gepafften Zigarillo zu genießen, nahmen die beiden (ebenfalls Stammgäste) am Nebentisch Platz, um den Abend kulinarisch ausklingen zu lassen. Wir saßen draußen und erfreuten uns an einem der letzten Abende mit extrem milden Temperaturen.
Irgendwann trafen sich Gedanken und Worte zum anstehenden Herbst … nebst passenden Gerichten. Die beiden berichteten von ihrem Faible für ofengeschmorte Rote Bete. Einfach mit einem guten Öl, Salz und Pfeffer ins Ofenrohr geschoben … sprachen sie ziemlich enthusiastisch.
Ich war angefixt … und so flossen ein paar spontane Notizen in mein Moleskine – mein ständiger Begleiter … außer beim Duschen oder in der Sauna 😉
Im Lauf der Zeit habe ich festgestellt, dass meinen handschriftlichen Notizen ein größerer Behaltenswert und zugleich eine höhere Umsetzungswahrscheinlichkeit
innewohnen als meinen digitalen Aufzeichnungen. Ich finde Evernote als Notizen-App grandios und möchte sie auf meinem iPhone nicht missen. Allerdings ist die Sammlung von Impulsen, Inspirationen, Restaurant-Tipps und Rezeptideen, die darin schlummern, so weit angewachsen, dass ich zwei Leben bräuchte, diese abzuarbeiten.
Kurzum: Ich genieße es, mir beizeiten ein einzelnes meiner beschriebenen Notizbücher bei einem Cappu. ccino vorzunehmen … darin zu stöbern … und die fixierten Gedanken ins Handeln zu bringen.
So wurde auch der Impuls von Robert Vogel und seiner Lady Realität.
Rote Bete aus dem Ofen …
ein erster Test
Es war einer dieser Abende, an denen der PAN … nebst seinen Protagonisten, über den „klassischen Feierabend“ gegen 17.00 Uhr hinausschießt. Wo wir gute Gespräche mit PAN-Gefährten bei einem guten Essen ausklingen lassen. Nach 90 Minuten Interview und fünf Seiten Notizen wanderten herbstliche Genüsse in Töpfe und Pfannen auf unsere Tafel. Darunter auch eine Pfanne mit ofengeschmorter Roter Bete – wie von den Vogels geheißen, garniert mit Ziegenfrischkäse und gerösteten Zwiebeln.
Da mir auf der Zielgeraden der Gerichte ein wenig die Zeit aus dem Ruder lief, begleitet von Kohldampf (eine eher unheilvolle Verbindung), nahm ich bei der Zubereitung der Roten Bete eine Abkürzung.
Gründlich gewaschen … aber noch in ihrer Schale, schnitt ich die Rote Bete in amtliche Scheiben (ca. 3-4 mm dick), um sie dann in den Ofen zu schicken – mit Rapsöl, Meersalz und weißem Pfeffer.
Exkurs: Ich finde die Farbe einer durchgeschnittenen, frischen Roten Bete einfach magisch – genauso wie das satte Grün von Moos im Herbstwald. Die Natur malt oftmals in den schönsten Farben – insbesondere im Herbst.
Apropos Malen … unser Künstlerfreund Andreas Noßmann versteht es hervorragend, in den Farben von Gemüse, auf Papier zu zeichnen.
Zurück zum Experiment … dessen Fazit: keine Sauerei in der Küche, vom Schälen … und wahrlich schmackhaft. Ähnlich wie bei Kartoffeln, die wir auch vornehmlich mit Schale kochen und genießen.
Rote Bete | Der zweite Versuch
Ein Sternchen wert … laut Kirsten
„Die Energie folgt der Aufmerksamkeit“ – steht es gelegentlich zu lesen. Eine Weisheit, die ich kraft eigener Erfahrungen gerne unterstreiche. Ihr werdet das möglicherweise kennen, dass … wenn man sich in einen Gedanken verliebt, einem plötzlich Begebenheiten und Impressionen scheinbar vor die Füße fallen, die dieser Idee Nahrung verleihen – unabhängig vom möglichen Mithören von Alexa oder dem Algorithmus von Facebook 😉
Letztendlich war es einer meiner Ausflüge auf Pinterest, bei dem mir eine Rote-Bete-Rezeptidee vor die Augen gespült wurde, die meine neu befeuerte Passion für dieses Gemüse beflügelte.
Dem Original-Rezept aus dem Englischen entnahm ich als Zutaten: Rote Bete | Joghurt mit Feta | Pistazien und Dill.
Während die ersten Komponenten relativ leicht Einzug in mein Notizbuch hielten, tat ich mich zunächst mit dem Notieren von Dill etwas schwer – den hatte ich bislang eher fischigen Gerichten zugeordnet. Seis drum … es muss ja nicht immer Petersilie sein. Angesichts der augenscheinlichen Ausgewogenheit des Gerichtes schenkte ich dessen Arrangeuren auch in diesem Punkt mein Vertrauen.
Beim Weißburgunder-geschwängerten Brainstorming rund um dieses Gericht flossen weitere Zutaten in seine Weiterentwicklung meinerseits, und zwar:
Zitronensaft und etwas klein gehackte Minze für die Mischung aus griechischem Joghurt und Feta | Gekräuselte Kresse (falls möglich) | Granatapfelkerne … eingelegt im Sirup aus dieser Frucht (bekommt ihr beim türkischen Händler Eures Vertrauens) | Die ofengeschmorte Rote Bete in einem Dressing aus Rotweinessig, Dattelsirup und Olivenöl | Orangenrispe zum Drüberhobeln | Als Zugabe: Tranchen vom Kalb … oder Soja-Schnitzel als vegetarische Variante.
Nachdem der erste Testlauf dieses Gerichtes in der fleischigen Variante mit fein geschnittener Kalbsschulter so begeistert von der Gattin gefeiert wurde, haben wir für euch die 100-Prozent-Veggie-Variante umgesetzt und fotografisch eingefangen – siehe Foto unten links.


… was die „Macht von Notizen“ damit zu tun hat
Die Gedanken um dieses neue Gericht und dessen Notizen verstärkten das Gefühl, wie sehr das Einfangen und Festhalten von Gedanken, Ideen, Zitate etc. unser Leben bereichert hat. Grund genug, auch diesen Spontan-Aufzeichnungen noch mehr Aufmerksamkeit zu widmen. So bestellte ich den kleinen handlichen Bruder meiner Lieblings-Schreibkladde im DIN-A4-Format. Eine schöne Lederkladde mit Platz für zwei Notizbücher im Postkartenformat. „Gutes Werkzeug muss sein“ – und gute Gedanken verdienen ein würdiges Zuhause.
PS: Beim morgendlichen Entschluss, diese Kitchen-Story bei unseren Freunden Sarah und Mike Novak niederzuschreiben, erinnerte ich mich an das Buch „Schreiben in Cafés“ von Natalie Goldberg, das ich aus einem der Bücherregale zog, um nach dem Finale dieser Kitchen-Story darin zu stöbern. Im Einband stand: „Angelesen am 09. Oktober 2006“. Nicht verdammt lang her … aber immerhin 18 Jahre. Ich bin gespannt, gleich in die Notizen einzutauchen, die ich seinerzeit in diesem Buch skizziert habe. Wie denke ich mit diesem zeitlichen Versatz von fast zwei Jahrzehnten darüber? Das erste Fazit: Nicht nur Notizen und Schreiben schärfen die Aufmerksamkeit, sondern auch bewusstes Lesen … und … nicht zu vergessen … das Einfangen von Momenten mit einer Kamera.
In diesem Sinne, euer Kitchen-Story-Team
