Mo.-Fr., 8 – 17 Uhr

Bocholt Underground

Jun 30, 2023 | Portraits

mit I+D Sanierungstechnik  

Fotos: Kirsten Buß/Interview: Roland Buß

Prolog

Als bekennender Nichttechniker waren für mich insgesamt zwei Vorgespräche, erforderlich, um Story & Business von I+D zu verstehen — sprich interviewfähig zu sein. Diese Gespräche habe ich mit dem dynamischeren Charakter der beiden Geschäftsführer geführt. Lässt sich Temperament eigentlich aus Körpersprache und Mimik auslesen? Urteilt selbst — anhand des Fotos auf der folgenden Seite. 🙂

Ich löse auf: Der Herr links im Bilde, war derjenige, mit dem ich den „roten Faden“ für das bevorstehende Interview entwickelt habe. Ich halte mich für einigermaßen pfiffig, kreativ und flexibel. Doch den Denk- und Sprachprozessen von Frank Angrick zu folgen, gleicht einer Doktorarbeit in Sachen Gehirn-Akrobatik. Insbesondere wenn die eigene Vita, ein abgeschlossenes Ingenieur-Studium vermissen lässt. Was Frank im übrigen nichts ausmacht. Der zeichnet dann ex ermelo eine Skizze, schaut mich erwartungsfroh an und verbucht meinen Lächeln als „Jetzt hat er es kapiert.“ 

In Wahrheit war das an vielen Stellen ein Verlegenheitslächeln, was eigentlich mit dem „Hissen einer weißen Fahne“ gleichzusetzen war. Kennt ihr das, wenn man hochmotorisiert auf der linken Spur unterwegs ist und der Motor riegelt selbstständig ab? — so ging es meinem Gehirn. 🙂

Wir sprachen über die historischen Passagen von Paris, die Geschichte deren Latrinen und was das alles mit dem Business von I+D zu tun hat. Über einen selbstentwickelten Kanal-Bagger, für den Düsseldorfer Rhein-Düker, Patente, Muffen, Kanaldeckel …

Von seinem Faible für eine legendäre Espresso-Maschine aus dem Jahre 1963 war es nur ein Katzensprung zu seinem Spezial-Tip, Grillroste mit Bübchen-Feuchtüchern zu reinigen.  

Ach ja, Espressos aus ebendieser Maschine haben wir ebenso genossen, wie eine Kanne Kaffee als „Nachtisch.“ Was man halt so macht, wenn man innerhalb von zwei Briefing-
Stunden, die eigentlich nur 30 Minuten dauern sollten, vier Seiten Notizen in Steno skizziert. 

Das war wirklich genauso humorvoll, ambitioniert und spannend, wie es die Einleitung ahnen lässt. Ich habe größten Respekt vor diesem genialen Geist, den ich irgendwo
zwischen Daniel Düsentrieb und Leonardo da Vinci einreihen würde. 

Ich ahne, dass Frank dieser Vergleich too much wäre, aber es ist ja nur meine nicht technische Sicht.

Er gewährte mir Einblicke in eine Welt, die mir bislang vollkommen fremd war und die wir hier mit euch teilen wollen. 

Mittwoch, 21. Juni 2023, 11:30 Uhr 46395 Bocholt I Schersweide 14 Bürotrakt der I+D Sanierungstechnik

Kirsten hatte ich auf der Anfahrt zum Interview wie folgt gebrieft: 

1. Wir brauchen ein paar coole Fotos von den Beiden. Insbesondere Frank ist in der digitalen Welt quasi gar nicht vorhanden. Es gibt zwar ein LinkedIn-Profil, aber mehr nach Motto „weißen Adler auf weißen Grund.“ Keine Bild, kein Logo … lediglich der Leitspruch „Geht nicht gibts nicht.“ Der Mensch scheint mit einem Geheimhaltungsgrad unterwegs zu sein, wie ihn sonst nur Doppel-Null-Agenten kultivieren. 

2. Du kannst alles tun, aber stell Frank um Gottes Willen keine Frage — wir müssen übermorgen in die Druckmaschine. Ich habe jetzt schon das Gefühl, ich schreibe
die Fortsetzung von Michael Endes Unendlicher Geschichte. 

Ich bin echt gespannt, mit welchem Ruhepuls der andere Geschäftsführer von I+D unterwegs ist — und freue mich auf das Kennenlernen von Wolfgang Jansen. Und ganz ehrlich !!! — auf das Wiedersehen mit einem der gefürchtesten Interview-Partner, mit dem ich jemals Worte gewechselt habe. 

Swenja (Franks Frau — die wir von ihrer Tätigkeit bei der Kulturgemeinde der Stadt Borken kennen) bittet uns herein. Wir lassen uns nieder in dem Meeting-Raum mit der legendären Espresso-Maschine aus meinem Geburtsjahr. Kirsten stolpert gedanklich über schnörkelig-gesprayte Laufskizzen und bizarren Bezeichnungen auf dem beigefarbenen Betonboden.

Swenja, was bedeutet Dorschkiller?
Das ist der Weg zu Wolfgangs Büro — der angelt gerne.

Humor und Bodenskizzen gefallen uns. Im selben Moment betritt der Freizeitangler den Raum, schüttelt uns die Hand und nimmt gegenüber von unserem „Vernehmungs-Szenario“ aus Papier, Stift und iPad Platz. Unseren Interview-Standard „Voice-Recorder“ lasse ich bewusst in der Ledertasche. Es scheint effektiver zu sein, das Gespräch mittels Notizen einzufangen. 🙂 

Der erste Eindruck von Wolfgang vermittelt, dass er mit seinem Ruhepuls das Kontergewicht für dieses Führungsduo von I+D darstellen könnte. Kaum zu Ende gedacht, schneit der agile Frank rein und bittet uns im zu folgen. Das versuche ich schon geraume Zeit … bezogen auf die Gedanken, jetzt auch physisch. 

Wir bewegen uns zu einem toll klimatisierten Meeting-Raum im oberen Bereich einer Lagerhalle von I+D auf der anderen Straßenseite. 

Meine Frage, ob ich den imposanten Flatscreen nutzen könne, um das Interview-Design zu skizzieren, realisierte Frank innerhalb von 60 Sekunden. 

(links) Frank Angrick, Baujahr 1969 

The Private Side
Präsident des Lions Club Borken Espresso-Fetischist und „Heizer“

(rechts) Wolfgang Jansen, Baujahr 1965 

The Private Side Vizepräsident 1. FC Bocholt 1900 e.V. „Dorschkiller“ und Norwegenfreak

Warmup

Sag mal, ist der Weg zu deinem Büro auch mit einer charakteristischen Bezeichnung gesegnet worden?
Nein.

Was würde denn bei dir stehen, quasi
analog zu Wolfgangs „Dorschkiller?“
Heizer.

Warum?
Ich habe eine leichte Beinschwere auf der rechten Seite. 🙂

Bist du aktuell im Besitz einer Fahrerlaubnis? Oder wartest du auf die Wiedererteilung?
Im Ernst, ich habe ganz wenig Punkte. Ich fahre halt gerne dynamisch. Manche behaupten ich „gurgele morgens mit Benzin.“ 🙂 Das ist schon mein Ding.

Was ist denn überhaupt nicht dein Ding?
Alles, wo keine Knöppe dran sind …
Hunde, Pferde etc. — ich fummele halt gerne.

So wie der besagte Mini-Bagger, den du mir beim letzten Mal gezeigt hast?
Genau. So ein Teil gibt es quasi gar nicht. Ich habe in China ein Basismodell für 3.000 Euro geschossen, was ich dann mit 20.000 Euro Technik so weiterentwickelt habe, dass wir ihn im Rheindüker von Düsseldorf einsetzen konnten, um den Dreck aus der verschlammten Kanalröhre abzubaggern. Das hätten wir sonst alles händisch machen müssen. Das war ein megaspannendes Projekt. Du bist in einer Röhre unter dem Rhein unterwegs und hörst über dir die rotierenden Schiffsschrauben.

Da ist es wieder, dieses Leuchten in den Augen, wenn der Diplom-Ingenieur über seine Technik-Passion spricht.

Wolfgang, was ist dein bevorzugtes Jagdrevier, um Dorsche zu killen?
Ich fahre gerne ein- bis zweimal im Jahr nach Norwegen und das schon seit 25 Jahren. Immer nördlich und dann aufs Meer hinaus.

Dein größter Fang bislang?
Ein 45 Kilogramm schwerer Heilbutt.

Ungefähr so viel wie ein Rottweiler, Respekt.

Rasanter Themenwechsel, was dir Dank deines Partners nicht fremd sein sollte … du warst der Schwiegersohn der Bocholter Legende Friedel Elting („Tito“), wenn ich das im Vorgespräch mit Frank richtig notiert habe?
Das ist richtig.

… und der heutige Vize-Präsident des 1. FC Bocholt, zu dessen Vereinsgeschichte „Tito“ wichtige Kapitel geschrieben hat — als Spieler und als Trainer.
Korrekt.

Ihr als Unternehmen I+D engagiert euch neben deinem Ehrenamt auch im Bereich des Sponsoring und das nicht unerheblich oder?

Seine Augen verraten ein bisschen mehr als die Worte, die Wolfgang zu dieser Frage nicht spricht. 🙂

Wenn man in der Regionalliga spielen und bleiben will, ist das Engagement von sehr vielen Menschen und Unternehmen
erforderlich.

Eine salomonische Antwort, von einem Menschen, der eine angenehme Ruhe ausstrahlt.

Zum Unternehmen I+D

Wolfgang, wofür steht das Kürzel I+D? mit euren Initialen hat das nichts zu tun oder?
Nein, das sind keine Initialen. I+D steht für Injektions- und Dichtungstechnologie. 

Was sind die Wurzeln dieses Unternehmens?
Der Vater meiner ersten Frau war früher Anstreicher. Zu seinen Leistungen gehörte es auch, Dehnungsfugen einzubringen. Das war für ihn eigentlich ein Gewerk oberhalb der Erdkruste. Irgendwann wurde er beauftragt Rohrverbindungen in einem Kanal mit einer solchen Fuge zu versehen. Danach kam die Frage: „Könnt ihr auch Beton?“ …  und irgendwann „Könnt ihr auch Betoninstandhaltung?“ Dazu gehörten auch Dichtigkeitsprüfungen. Dieses Thema wurde nach meinem An-Bord-kommen vertieft und ausgefeilt. Wenn dann etwas nicht dicht war, wurde wir gebeten, eine Lösung zu suchen. 

Wolfgang: Bisweilen war es so, dass er einen Auftrag bekam für 5.000 DM Dehnungsfugen einzubringen und letztendlich 20.000 DM Sanierungsaufwand erforderlich waren, damit diese Dehnungsfugen überhaupt Sinn machten. 

Bautechnisch wurden früher viel Fehler gemacht. Mein Schwiegervater hat eigentlich nichts anderes gemacht, als Lösungen zu entwickeln, für Probleme, die an ihn herangetragen wurden. Er hat sich da hineingefuchst und ist quasi vom Hochbau – in das Tiefbausegment gerutscht. 

Aus den Vorgesprächen mit Frank habe ich entnommen, dass sich dieses Problem-Lösungs-Management wie ein roter Faden auch durch eurer heutiges
Business zieht oder? Oftmals agiert ihr auf Hilferufe im Sinne des bekannten „Houston, wir haben ein Problem“, oder?
Da liegst du richtig, das ist auch heute noch so. 

Du bist dann irgendwann in dieses Unternehmen eingestiegen. Wann kamst du, Frank denn dazu?
Es war am 8. Mai 2000, ein Tag nach meinem Geburtstag, als Wolfgang mich anrief und mir anbot bei ihm mit einzusteigen. Bei dem Unternehmen wo ich früher war, war ich quasi einer der Auftraggeber von Wolfgang — daher kannten wir uns. Zum Zeitpunkt seines Anrufs war ich gerade zur „Ruhrkohle“ gewechselt — mit einem echt anständigen Gehalt.

Dennoch lag der Reiz der Selbstständigkeit in der Luft. Mein Vater hat mal vor einer ähnlichen Entscheidung, in einem gleichen Segment, gestanden. Ihm war das
damals finanziell zu wackelig, mit Rücksicht auf die
Verantwortung für uns als Familie.

Ich weiß nicht wirklich, ob er damit hadert. Ich habe gedacht, der Typ (Wolfgang) ist in Ordnung. Es gibt hier Potenzial, um das Unternehmen zu entwickeln. Und so bin ich an Bord gekommen und habe mit Wolfgang das Unternehmen auf den heutigen Stand entwickelt. Damals waren wir 15 Leute — heute sind es 80 Kolleginnen und Kollegen. 68 davon an der Front, sprich in den Projekten unterwegs und 12 im Back-Office. Einer meiner ersten Anregungen war es, Schachtmaurer zu suchen und einzustellen. Das ist ein altes Handwerk, was auch heute noch extrem relevant ist. Wir sind halt sehr oft in alten, gemauerten Umgebungen unterwegs. Da ist es gut, wenn unsere Mitarbeiter das Know-How mitbringen, diese Substanz durch Sanierung zu erhalten. Die Kanäle sind teilweise älter als 100 Jahre. Wenn wir die saniert haben, können die für weitere 100 Jahre wertvolle Dienste leisten. 

Wolfgang, wie funktioniert das Zusammenspiel zwischen euch? Was zeichnet die Zusammenarbeit mit Frank aus?
Wie unschwer zu erahnen … bin ich eher der ruhigere von uns Beiden. In dem Respekt vor Stärken und Schwächen des jeweils anderen, empfinde ich uns als eine gute Mischung. Während ich mich vornehmlich dem Tagesgeschäft, sprich unseren Dienstleistungen im Brot- & Buttergeschäft widme, ist Frank eher in der Abwicklung von größeren Projekten unterwegs. 

Wenn man auf eure Website schaut, Frank … dann sind da sehr viele Facetten eures Portfolios aufgeführt. Was ist euer Focus?
80% dessen, mit dem wir uns täglich beschäftigen,  sind Herrausforderungen rund um das Thema Kanal … das Thema Wasser. Wusstet ihr eigentlich, dass nur 0,9% der weltweiten Wasserkapazität als nutzbares Trinkwasser aus dem Hahn tröpfeln bzw. fliessen? Jeder Tropfen ist Teil eines sehr komplexen Kreislaufs. Wenn wir die Atome eines einzelnen Tropfens kennzeichnen würden, der aus dem Wasserhahn dort in der Kaffee-Ecke tropft, dann würde es 50 bis 100 Jahre dauern, bevor derselbe Tropfen wieder hier ankommt. 

Meine Frau schaut mich an. Ich versuche mit meinen Augen „Bitte nicht nachfragen“ zu morsen.  Wolfgang scheint ähnlich perplex zu sein, angesichts dieser überzeugend vorgetragenen These seines Partners. Meine Gedanken rund um „blufft der … gibt es Studien …“ werden von Frank unterbrochen:

Bevor uns Frank überredet, ein paar Wassertropfen zu markieren und die nächsten paar Jahrzehnte auf deren Wiederkehr zu warten, wechseln wir das Thema. 🙂

Was zeichnet I+D aus?

Frank, was ist eurer Einsatzgebiet? Wo sitzen die Auftraggeber, die eure Leistung anfragen?
In Bocholt, im Umkreis, im Ruhrgebiet, Amsterdam, Belgien, Israel, Brasilien, Kasachstan … um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Ich habe vor langer Zeit mal eine Karte mit Stecknadeln besetzt. Wir kommen schon ganz schön rum. Meinetwegen fliegen wir auch zum Mond, wenn man uns dort braucht. 🙂

Das passt zu seinem „Geht nicht, gibts nicht“ und „Houston, wir haben ein Problem.“

Wolfgang, ist es abwegig, euch ein wenig mit dem legendären Red-Adair zu
vergleichen, dem besten Feuerwehrmann der Welt? Der immer dann gerufen wurde, wenn kein Mensch in der Lage war einen Großbrand in den Griff zu bekommen?

Wolfgang: Das wäre mir ein wenig zu dick aufgetragen.

Frank ergänzt: Aber ein Funken Wahrheit birgt das in sich. Wir haben vor einiger Zeit den Zuschlag für ein 6,5-Millionen-Projekt bekommen, bei dem es keinen weiteren
Anbieter (Konkurrenten) zu der Ausschreibung gab. Wir waren die Einzigen, die das Know-How hatten, das Problem zu lösen.

Wir sind zu Special-Tiefbauern mutiert. Zum einen ist die Technik sehr teuer und zum anderen brauchst du die Manpower — sprich Menschen, die diese Technik auch
beherrschen. Diese Menschen sollten reiselustig sein. Hinzukommt die Herausforderung des Transportes von Material und Maschinen.

Das ist für einige unserer Mitbewerber eine Rechnung mit zu vielen Unbekannten.

Wir haben z. B. die weltweit größte Absperrblase. Das Ding sieht aus wie ein Schlauchboot ohne Luft. Das ist fünf Meter lang und passt durch die Öffnung einer herkömmlichen Kanalöffnung — sprich 65cm Durchmesser. Wenn wir diese Blase aufpumpen, können wir damit einen Kanal mit einem Durchmesser von 3,60 Meter dichtmachen. Damit waren wir schon dreimal in Brasilien.

Wofür braucht man das?
Insbesondere für Dichtigkeitsprüfungen, die von Behörden eingefordert werden — teilweise im 5-Jahres-Rhythmus. 

Frank zieht ein Blatt zu sich hin, um den Längsschnitt eines Kanals zu skizzieren. Dort zeichnet er zwei dieser Absperrblasen in einem gewissen Abstand ein …

Der Zwischenraum zwischen diesen beiden aufgepumpten Blasen wird mit Druckluft gefüllt. Bleibt der Druck konstant, ist der Kanal dicht. Wenn nicht, gibt es ein Problem, um das wir uns dann kümmern.

Wie viel „Mitbewunderer“ / Marktbegleiter/ Konkurrenten gibt es in Deutschland, die auf diesem Niveau mitspielen können?
Frank: Im Bereich des Special-Tiefbaus ca. drei Unternehmen.

Von Bocholt aus in die Welt und wieder zurück

Seid ihr auch im Raum Bocholt aktiv?
Wolfgang: Da Bocholt auch Kanäle hat, natürlich. Es gibt einen Kanal, einen sogenannten „Hauptsammler“, den haben wir im Jahre 2012 saniert. Das war nach  ca. 100 Jahren fällig — der stammt aus dem Jahre 1911. Dieser Kanal ist 2,70 Meter breit und 1,50 Meter hoch. Dessen Anfang liegt im Bereich der Münsterstraße, dort beim Hochhaus, wo sich die Uhlandstraße abzweigt. Der führt unter der Ostertorpotheke entlang in Richtung des Parkhauses am Nähkasten … unter dem Markplatz durch zur Schwanenstraße bis zur Kläranlage. 

Frank: Damals haben wir auf dem Marktplatz mit der BEW ein Zelt über dem dortigen Kanaldeckel aufgebaut und interessierte Bürgerinnen und Bürger eingeladen, sich „Bocholt Underground“ anzuschauen. 

Kurze Zwischenfrage, ist das dieser Kanaldeckel, den unser befreundeter Fotograf Jens Wiegrink so toll in Szene gesetzt hat?
Frank: Genau der ist das. Die Deckel sind fast überall gleich. Sie decken den 62,5 cm großen Querschnitt, des Einstieges in den Schacht ab. Selten so schön individualisiert, wie hier (siehe Einstiegsbild zu dieser Story.)

Sorry, ich habe dich unterbrochen … 

Kein Problem. Plötzlich stand eine 82-jährige alte Dame in Gummistiefeln vor mir und freute sich über diese Möglichkeit. 

Was war denn ihr Motiv?
Frank: Sie hat mir erzählt, dass sie vor kurzem ihren heißbeliebten Gasherd gegen einen Elektroherd eintauschen musste, weil keiner sich damit auskannte, ihr „altes
Schätzchen“ zu reparieren. Seitdem sie den „Neuen“ habe, würden ihre Brote und Kuchen nicht mehr so gut gelingen wie früher. Sie fand das toll, dass wir uns um die Instandhaltung des alten Kanals kümmern. Ich habe sie gerne nach unten begleitet. 

Wichtig zu wissen ist, dass wir auch eine kleine Kellersanierungen machen, wie z. B. bei Oma Müller.

Excurs: Remy & Co.

Jetzt wissen wir ja alle, aus dem Film Ratatouille, dass es in solchen Kanälen auch Ratten geben könnte …
Frank: Die Möglichkeitsform kannst du streichen — es gibt sie. Ratten sind sehr intelligente Tiere, mit einem offenbar guten Gaumen. Die laben sich nicht an den Fäkalien in den Kanälen. Die richten ihre „Wohnzimmer“ gerne in der Nähe von kulinarisch attraktiven Anschlüssen sein. Zum Beispiel dort, wo Essenreste durch die Klospülung abgedrückt werden. Solchen Szenarien begreifen diese Nagetiere quasi als „kaltes Buffet“ im Kanal.

Wolfgang: Das war übrigens der Hauptgrund für den damaligen Sanierungsaufwand. Wir haben das Profil der Kanalsohle erneuert, damit das Abwasser schneller ablaufen kann.

Damit Remy, Django und Co. nicht so viel Ruhe beim Verzehr des Buffets haben?
Frank: Korrekt.

Jetzt sind die im Film ja ganz possierlich dargestellt. Können die auch ungemütlich werden?
Frank: Ratten sind Fluchttiere. Die werden nur komisch, wenn sie in Bedrängnis kommen. 

Focus Pott Ruhrpott

Wie Frank mir erzählte, ist euer Haupteinsatzgebiet der „Pott“ oder?
Wolfgang: Das ist so. Es gibt keine Muffe im Pott, die wir nicht geprüft haben / keinen Kanal, wo wir nicht drin waren.

Frank: Wenn wir von großen Städten sprechen, reden wir immer über Köln, Hamburg, Berlin. Berlin ist echt groß, mit seinen 3,6 Millionen Einwohnern. Aber das Ruhrgebiet mit seiner Besiedlung bietet Raum für mehr als 5 Millionen Menschen. Und fast alle „entsorgen“ über die Hauptschlagader Emscher. Dieser offene Kanal, der früher im Volksmund „Köttelbecke“ genannt wurde, dient der Hauptentwässerung des Ruhrgebietes. Dessen Länge erstreckt sich von Dortmund bis nach Dinslaken, wo er in  den Rhein mündet.

Wusstet ihr das an der Stadtgrenze Dinslaken, Oberhausen und Duisburg eines der größten Klärwerke in Europa betrieben wird?

Während Frank einen Ausschnitt von Google-Maps am Flatscreen zoomt, google ich zu diesem Klärwerk: Zumindest mit seiner Fertigstellung im Jahr 1976 war es mit 75 ha des größte Klärwerk Europas, was von der Emscher-Genossenschaft betrieben wird. Mittlerweile könnte es diesen Nimbus aufgrund einer noch größeren Anlage in Paris eingebüßt haben.

Google-Screenshot Klärwerk Emschermündung

Wenn ihr diese Effekte nachvollziehen wollt, gebt mal bitte KLÄRWERK EMSCHERMÜNDUNG bei Google Maps ein. Schaut mal auf die graue Brühe, die von rechts angeflossen kommt und auf den Kontrast des tiefblauen Wassers, welches nach dem Durchlauf des Klärwerks in Richtung Rhein fließt. 

Wow, ich bin echt geflasht. Was ist denn euer Einsatz dort?
Wolfgang: Ziel ist es, die Emscher inkl. Nebenflüssen und Bäche komplett zu renaturieren sprich keine Abwässer mehr dort einzuleiten, sondern sie nur noch für Regenwasser zu nutzen. 

Parallel zur Emscher verläuft mittlerweile unterirdisch ein 1,60 m 3,80 m großes Rohr. Eine ca. 51 Kilometer lange Strecke, mit vielen Herausforderungen, wo unsere Kompetenz benötigt wird.

Frank: Der „Pott“ … wie man so sagt, ist durch den Kohle-Abbau an vielen Stellen teilweise bis zu 20 Meter abgesackt. Durch die Stilllegung der Zechen ist dieser
Prozess eingefroren — die Setzungsprozesse sind abgeschlossen. Jetzt gibt es Effekte … nennen wir sie treffenderweise Schieflagen, wo das Abwasser nicht mehr von A nach B fliesst — sonder umgekehrt. Da müssen Lösungen her, da sind wir gefordert. 

Humor & more 

Apropos fordern … das scheint einer der Haupt-Motivatoren zu sein, lieber Frank. Du scheinst schwer lösbare Dinge zu lieben oder? Wie war das mit dem
unterirdischen Bahnhof, den ihr angelegt habt?
Frank: Diesen Zug seht ihr auch in unserem Imagefilm auf unserer Webseite.Um Menschen und Material an einen Ort zu bringen und von dort zurück, schien es mir effektiv zu sein, eine unterirdische Bahn in diesem Projekt anzulegen. Aufgrund meines Netzwerkes habe ich eine solche Bahn aus dem Bergau beschaffen können. Um aber einen größeren Durchsatz gewährleisten zu können, fand ich es naheliegend, einen kleinen unterirdischen Rangier-Bahnhof einzurichten, um mehrere Bahnen einsetzen zu können … 

Du weisst schon, dass du sympathisch einen an der Murmel hast? 🙂

Das einsetzende Gelächter von allen Beteiligten scheint Antwort genug. 

Frank: Aber nicht so sehr wie die Jungs auf der Baustelle in Astana / Kasachstan, wo wir zum Abdichten im Einsatz waren, oder? 

Wir werden Augenzeugen einer Diashow zum Thema „best practice“ in Punkto Effektivität und Arbeitssicherheit von dort beheimateten Arbeitern: Eine Schubkarre, die während des ganzen Tages von drei Männern geschoben wird, während ein Radlader in Rufweite steht. Eine großformatige Hilti, mit zwei Griffen, die von drei Menschen gleichzeitig geführt wird zwei Griffhalter und einem Knopfauslöser. 🙂 

Vieles von dem, was wir als Slapstick-Viedeos auf Facebook und Youtube in diesem Genre vorgespielt bekommen, scheinen keine Fake-News zu sein.

 

The End Call to action Recruiting 

Wir sind beeindruckt angesichts des Gehörten und Gesehenen …
Frank: Willst du bei uns anfangen? 🙂 

Mal nur fiktiv, wenn ich es denn wollte, was würdest du mir erzählen?
Frank: Das, was ihr auch in dem weiteren Video zur Lehrstellen-Offensive erfahrt, was ihr auf unserer Webseite findet. Wobei der Kanal-Sanierer, den wir suchen, der wird nicht in einem Lehrberuf ausgebildet, diese Funktion gibt es nicht. Bei uns gibt es nur „Special-Agenten“, die in der Not aus einem Staubsauger eine Hilti machen können. Wir brauchen Menschen, die Bock haben zu reisen. Die Lust haben, Probleme zu lösen und daran zu wachsen. Menschen, die selbstbewusst genug sind, mit ihren Malocher-Klamotten nach
Feierabend in den Edeka zu gehen um einzukaufen. Die nicht vorher nach Hause müssen, um zu Duschen und sich in frische Freizeitklamotten zu pellen … 

… weil sie sich für grundehrliches Handwerk schämen …

Frank: … sondern stolz auf ihre handwerklichen Fähigkeiten sind. 

Was würde denn passieren, wenn wir unseren Job nicht machen würden. Wenn wir uns nicht um das Wasser unterhalb der Syphons kümmern würden? Die Wertschätzung für diese Art der Arbeit … generell im Handwerk … ist sowas von abgeschmiert das ist bedauerlich.

Wie befreiend wäre das für manche, wann die Eltern sagen würden „Kevin, lass das mal mit der Tastatur … scheint nicht dein Ding zu sein … Versuchs mal mit nem Hammer.“ Warum muss denn jeder studieren? Was ist denn so schrecklich daran, mit eigenen Händen etwas Cooles zu schaffen, was auch in 100 Jahren noch  Bestand hat? 

Ich weiß nicht, wie es euch geht? Ich kann mich nicht erinnern, ein ähnlich schönes Schlusswort im Klaretext-Modus niedergeschrieben zu haben. 🙂 

Lieber Wolfgang, lieber Frank, RESPEKT für das was ihr tut … und wie ihr es tut. Es war uns ein Fest, eure Story einzufangen. Das ist business-unplugged, wie wir es mögen. 

PS: Wen sollen die Menschen eigentlich kontakten, die jetzt neugierig sind? 

Frank: Wolfgang oder mich je nach Neigung. 🙂 

 

I+D Sanierungstechnik GmbH

Schersweide 14,
46395 Bocholt

Telefon: 02871 275770

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