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Da muss was ab – Amputationen in der Tiermedizin

Okt 25, 2023 | Gastautor

Regelmäßig schaue ich in besorgte Gesichter, wenn der Rat ausgesprochen wird, ein Körperteil bei einem tierischen Patienten zu amputieren. Dies kann ein Ohr, eine Rute, eine Zehe, ein Auge oder in Extremfällen ein ganzes Bein sein. In der Gesellschaft werden solche Krankengeschichten eher kontrovers diskutiert. Dem einen ist jedes Mittel recht, um das Leben des Lieblings zu retten, und die anderen zweifeln an der Lebensqualität eines einäugigen Hundes oder einer dreibeinigen Katze. Mitleid für Bello oder Mietzi ist in solchen Fällen trotzdem nicht angebracht, denn Hund und Katze wollen einfach nur schmerzfrei den Tag genießen und dabei ist unseren Vierbeinern das eigene Aussehen ganz egal.

Schauen wir uns zunächst die Rechtslage an, da das Tierwohl in Deutschland unter einem besonderen Schutz steht. So ist das operative Entfernen von Körperteilen zur Verfolgung eines Schönheitsideals schon seit über 20 Jahren verboten. War es zuvor möglich, bei diversen Rassen, wie beispielsweise dem Dobermann oder Boxer, bedenkenlos den Schwanz und die Ohren zu kupieren, handelt es sich heute um eine Straftat, wenn einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Dies hat auch Einfluss auf die tierärztliche Tätigkeit. So ist zum Beispiel die grundlose Amputation der Wolfskrallen an den Hinterbeinen des Hundes verboten. Erst beim Auftreten einer Erkrankung, die die Entfernung erfordert, ist die Operation auch erlaubt. Für die Amputation eines Körperteils muss also ein vernünftiger Grund vorliegen. Dieser Grund wird „medizinische Indikation“ genann. So eine Heilanweisung ist vom Tierarzt auszusprechen, wenn andere therapeutische Verfahren aussichtslos sind.

Die häufigsten Amputationen werden aufgrund einer Krebserkrankung oder nach einem sehr invasiven Trauma durchgeführt. Das Auftreten von tumorösen Geschehen im Auge, in den Knochen einer Gliedmaße, an der Rute oder am Ohrlappen fordert oft ein rigoroses Vorgehen. Wenn palliative Maßnahmen nicht mehr ausreichen, müssen sich die Tierhalter oftmals zwischen der Euthanasie oder der Entfernung des betroffenen Körperteils entscheiden. Im Falle eines Traumas sind es meist die Autounfälle, die die Vierbeiner so sehr traumatisieren, dass es zur Zerstörung ganzer Körperteile kommen kann. Wer seinem Liebling das Leben retten will, muss sich auch in so einem Fall mit der Amputation des betroffenen Körperteils arrangieren. Auf die Tierhalter hat die Amputation vor allem bei sichtbaren Körperteilen großen emotionalen Einfluss. In solchen Fällen rate ich dazu, sich vor Augen zu führen, dass Bello und Mietzi vor allem schmerzfrei sein möchten
und sich ihres eigenen Aussehens überhaupt nicht bewusst sind. Das Fehlen von Schwanzspitzen oder Zehen wird im Alltag gar nicht bemerkt, aber wenn eine ganze Extremität entfernt wurde, dann können die Kommentare anderer Tierliebhaber sehr hart sein. Zeit, sich selbst ein dickes Fell zuzulegen.

Der Umgang mit einem beinamputierten Tier kann jedoch nicht nur emotional, sondern auch im alltäglichen Management eine Herausforderung sein. Bei kleinen Hunden und Katzen ist die komplette Entfernung einer Gliedmaße in der Regel unproblematisch, da sie ihr Gewicht problemlos auf drei Beine verteilen können. Das Handicap ist von großen Tieren leider nicht so leicht zu meistern, sodass über weitere Hilfsmittel nachgedacht werden muss. Allerdings gehört die mögliche Nutzung von Prothesen unbedingt zur Planung vor der Beinamputation, da der Chirurg dann einen sogenannten Stumpf am Bein zur Fixation der Unterstützung belassen muss. Diese Teilamputation wird in anderen Fällen aus Angst, dass das Tier versucht, auf dem Beinansatz zu laufen, vermieden. Weitere Managementmaßnahmen können Ihren „Dreibeiner“ im Alltag unterstützen. Hunde sollten nach Möglichkeit in einer Erdgeschosswohnung gehalten werden und sportliche Aktivitäten sind natürlich überschaubar zu gestalten. Die Samtpfote freut sich über eine mehrmals tägliche Reinigung des Katzenklos, da sie möglicherweise zu Beginn ihres dreibeinigen Lebens nicht mehr so gut scharren kann wie zuvor. Trotzdem kenne ich dreibeinige Hunde, die mit oder ohne Prothese spazieren gehen und im Park spielen, und beinamputierte Katzen, die weiterhin fleißig Mäuse jagen. Physiotherapeutische Maßnahmen können den Heilungsverlauf bei allen betroffenen Tierarten unterstützen. Ob eine Amputation für den Patienten  infrage kommt, muss zusammen mit Ihrer Tierärztin oder Ihrem Tierarzt unter Berücksichtigung der Krankheitsursache und des Allgemeinbefindens des Lieblings entschieden werden. Im Mittelpunkt aller Pros und Kontras muss natürlich das Tierwohl stehen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Vierbeinern trotz des tristen Novemberwetters viele Wohlfühltage bis zur lang ersehnten Adventszeit, in der ich Sie mit meinem Artikel „Da bleibt (k)ein Auge trocken“ unterhalte.

Ihre Dr. Simone Möllenbeck

Dr. Simone Möllenbeck
Zusatzbezeichnung Zahnheilkunde

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