Häufiger Anlass zur Sorge
Auf dem Weg zur Diagnose „Fremdkörper“ bedaure ich als Tierärztin ganz besonders, dass meine Patienten nicht wie im Film Dr. Dolittle verbal mit mir kommunizieren können. Wie einfach wäre die tierärztliche Diagnostik, wenn unsere Vierbeiner beim Vorgespräch Informationen wie „Gestern habe ich beim Spiel versehentlich meinen Ball verschluckt“, „Während des Grillfests wurde mir ein Knochen gegeben“, „Als ich im Gebüsch geschnüffelt habe, stach es plötzlich im rechten Ohr“ oder „Ich lecke an der Pfote, weil ein Glassplitter im Ballen steckt“ weitergeben würden.
Stattdessen muss in der Tierarztpraxis akribisch geforscht werden, um einen mögliche Fremdkörper wie verschlungene Gegenstände (Spielzeug, Knochen, Holz, Steine, Nüsse und vieles mehr) oder eingepikste Materialien (Grassamen, Glassplitter, Holz und andere) zu ermitteln. Manchmal komme ich mir vor wie Sherlock Holmes, wenn ich den Patientenbesitzern Fragen zu Aufenthaltsorten und Gewohnheiten von Bello oder Mieze stelle.
Abhängig von der Art der Beschwerden und des Verdachts müssen je nach Vorbericht mehr oder weniger invasive diagnostische Hilfsmittel zur Fällung der Diagnose eingesetzt werden. Manchmal reicht eine einfache Ohrenuntersuchung, um dem Patienten zu helfen. In schwerwiegenderen Fällen müssen die Vierbeiner sogar operiert werden.
Jetzt so kurz vor dem Sommer beginnt die Zeit, in der viele Grannen aus Ohren, Nasen, Augen und Pfoten in Tierarztpraxen entfernt werden müssen. Die kleinen Pflanzensamen bleiben mit ihren Widerhaken am Fell der Tiere haften und bewegen sich fort. Beim Eintritt in eine Körperöffnung oder in die Haut bereiten sie starke Schmerzen. Ihre Tierärztin oder Ihr Tierarzt kann die Plagegeister mit einer Fremdkörperzange entfernen. Gerade Besitzer langohriger Rassen oder von Patienten mit weichem Fell sollten ihre Lieblinge in diesen Monaten ganz besonders nach den Spaziergängen absuchen und Pflanzenteile entfernen. Übrigens sind Ohrentropfen bei plötzlicher Kopfschiefhaltung als Erste-Hilfe-Maßnahme ohne vorhergehende Ohrenuntersuchung tabu. Stattdessen sollten Sie schleunigst eine Tierarztpraxis aufsuchen, denn im schlimmsten Fall wird eine Granne im Ohr das Trommelfell verletzen. Je nach Wohnlage werden Glassplitter in Hundepfoten mehr oder weniger häufig gefunden. Lahmt der beste Freund des Menschen und leckt intensiv die Ballenseite des Fußes, muss an einen eingestochenen Fremdkörper gedacht werden. Oft kann eine Läsion am Ballenhorn beobachtet werden. Die Entfernung dieser Materialien gelingt in vielen Fällen unter örtlicher Betäubung.
Im Spiel oder aus Gier verschlucken Bello und Mieze auch mal unverdauliche Materialien. Oft existiert in Tierarztpraxen ein ganzes Sammelsurium an herausoperierten Fremdkörpern wie Spielzeug, Knochen, Holz, Steine, Murmeln, Nüsse und Fäden, die zu Verdaungsstörungen führten. Die Patienten fallen oft durch eine Magen-Darm-Symptomatik mit Erbrechen, Kotabsatzstörungen oder seltener Durchfall auf. Verlegt das Material den Darm wie ein Korken, dann verschlechtert sich der Zustand des Patienten stündlich. Strahlendichtes Material wie Metall, Stein und Knochen kann schnell per Röntgenbild ermittelt werden. Schwieriger ist es, strahlendurchlässigere Materialien, wie Holz und Wollfäden, röntgenologisch zu finden. Hier können Untersuchungen wie eine Kontrastmittelpassage, die Ultraschalldiagnostik, eine Endoskopie oder in immer noch ungeklärten Fällen sogar eine Laparotomie, wobei eine Operation im Bauch Klarheit bringen soll, diagnostisch helfen.
Fakt ist, dass Fremdkörper — egal, wo sie stecken — weniger Schaden anrichten, wenn sie schnell wieder entfernt werden. Aus diesem Grunde sollten Sie bei einem Verdacht schnell tierärztliche Hilfe hinzuziehen. In vielen Fällen kann den Patienten ohne großen Aufwand geholfen werden. So lassen sich beispielsweise Grannen aus dem Ohr oft ohne Narkose entfernen. Oder kurz zuvor verschluckte Gegenstände können, wenn Hund oder Katze mit einer entsprechenden Spritze zum Erbrechen gebracht werden, den Körper schnell
wieder verlassen. Neuartig sind Augentropfen, deren Wirkstoff Übelkeit beim Hund auslösen können.
Beobachten Sie also Symptome wie Erbrechen ohne Kotabsatz, eine Schiefhaltung des Kopfes oder das intensive Belecken einer Pfote, sollten Sie an einen möglichen Fremdkörper denken und Ihrer Tierärztin oder Ihrem Tierarzt während der Konsultation von Ihrem Verdacht berichten. So mancher Tipp des Besitzers ist bei der Diagnosefindung Gold wert.
Ihnen wünsche ich einen fantastischen Juni mit möglichst wenig Plagegeistern. Berichten werde ich allerdings auch im nächsten Artikel über „Kleine Plagegeister — Die Giardiose“.
Ihre Dr. Simone Möllenbeck
Dr. Simone Möllenbeck
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