Einleitung
Wie im September-PAN angekündigt … hier nun die Fortsetzung unserer gummibestiefelten Story zu einem grandiosen Halderner 2023 …
Bevor wir einsteigen, ein kleiner Blick zurück auf meine Highlights in den Jahren zuvor:
2007 Jan Delay | 2008 Bon Iver und Fettes Brot | 2009 Mumford & Sons | 2010 Efter-klang und Philipp Poisel | 2011 Ben Howard und Gisbert zu Knyphausen | 2012 Charles Bradley und Thees Uhlmann | 2013 Sophie Hunger und Glen Hansard.
Das war nur eine kleine Selektion der musikalischen Acts — losgelöst vom Lagerleben, vom Baden im nahe gelegenen See, vom Pendeln zwischen den unterschiedlichen Bühnen und Locations wie der Church, dem Spiegelzelt, der Main Stage, der Pop Bar, dem Jugendheim und dem Niederrhein-Tent, dass sich mittlerweile etabliert hat.
Ich erinnere den Moment, als ich im Gras liegend döste … die Stimme von Bon Iver in meine Gehörgänge kroch. Einzigartig, dieses Wechselspiel zwischen emotionaler Brust- und hoher Kopfstimme (was ich
gerade nachlesen durfte, als musikalisch unbelasteter Zeitgenosse).
So gab es viele Momente, in denen ich Musik wahrnahm, gespielt von Menschen aus der ganzen Welt, nach denen ich im Netz nie gegoogelt hätte.
Auf dem Haldern Pop treten vor allem Rock- und Popbands auf. Der Schwerpunkt liegt vermehrt auf noch unbekannten Gruppierungen der Indie-Musik, Singer-Songwritern und des Folk-Rock und Pop, sowie einigen wenigen national und international bekannten Bands — so steht es zu lesen.
Ein grandioses Büffet, das auf mehreren Bühnen geschmackvoll angerichtet ist und eine jede und ein jeder nach seinem Gusto genießen kann.
10 Jahre Abstinenz
Ich weiß wirklich nicht, wie das passieren konnte. Das ist nur bedingt durch Corönchen zu erklären. Sicherlich gab es auch Jahre, in denen wir zum Haldern-Termin woanders unterwegs waren. Doch eigentlich fühlt es sich für mich nicht richtig an zu schauen, wie das Halderner in unseren Jahreskalender passt. Angesichts der vielen schönen Momente müsste es heißen: „Wie passt unser Jahr ums Halderner?“ 🙂
Spätestens, nachdem wir vor ein paar Monaten mit Simon, einem meiner Halderner Gefährten, in Erinnerungen schwelgten, waren die Würfel gefallen. Kirsten und ich haben Haldern 2023 zum Pflichtprogramm gekürt — aber diesmal unter anderem Vorzeichen.
Nicht mehr als reine Konsumenten, sondern als akkreditierte Medienvertreter. Wir wollten diesem Festival und den Menschen, die das in all den Jahren stemmen, einfach mal DANKE sagen — und unsere Faszination für dieses Kult-Event vor unser aller Haustür mit euch teilen.
So waren wir drei Tage und vier Nächte mit unserem Land Rover Defender im Camp, um den Spirit dieses Jubiläums-Festivals aufzusaugen und print- und online-technisch zu konservieren.
Wetter-Check
Nachdem wir am letzten Juli-Wochenende bei unserem Wedding-Festival auf Schloss Raesfeld ein wenig den Po nass bekommen hatten, wanderten unsere Blicke ein wenig argwöhnischer gen Himmel als sonst.
Aus dem Augenwinkel nahmen wir im WDR düstere Wetterprognosen für das Festival in Wacken und auch für das Halderner wahr:
Rund 20 Grad und viel Regen — so der Wetterbericht für das Haldern-Wochen-ende. Zur 40. Ausgabe des Pop-Festivals am Niederrhein müssen die Organisatoren also mal wieder flexibel bleiben für
Ausnahmesituationen.
Erste Regel im Katastrophenschutz: „Nerve behalde“ — habe ich mal von der Tochter einer guten Freundin gehört, die sich mit ihren 14 Lenzen beim THW engagierte. Also denn … gesagt ist gesagt … akkreditiert ist akkreditiert. Die Gummistiefel stehen parat, ebenso wie ein amtlicher Regenmantel. Zeit, in die Vorbereitungen einzutauchen – sich mal intensiver mit dem Mastermind dieses Festivals auseinanderzusetzen.
Wer ist eigentlich dieser Stefan Reichmann?
Auf WDR 5 finde ich ein Interview mit ihm, zum Thema Regen.
In einem WDR-Talk wird er als Programmplaner beschrieben. Googelt man weiter, findet man Begriffe wie „Festival-Macher“, „musikalischer Direktor“, „künstlerischer Leiter“, „Booker“ … das Gesicht des
„Halderner“.
Ein Video-Interview vom Rockpalast 2019 vermittelt ein Gefühl davon, wie dieser Mensch tickt. All diese Information und weitere Aussagen von Stefan Reichmann findet ihr in der nebenstehenden Tool Box.
Ich recherchiere weiter. Erwartet werden ca. 6.000 Besucher. Es geht darum, die Crew von ca. 500 ehrenamtlich engagierten Leuten (viele aus dem Ort) bei Laune und die Wege begeh- und befahrbar zu halten.
Ich erfahre über das besondere Verhältnis zu den Künstlern, die das Haldern Pop geradezu als Kurort wahrnehmen, weil es so anders, so familiär, so einzigartig ist — und deswegen auf den Bühnen keine „Nummern abliefern“, sondern oftmals 200 Prozent geben.
Dass die Beziehungen zu den Künstlern teilweise biografisch gewachsen seien — dass Nobodys zunächst in der Kirche auftraten, Jahre später dann im Spiegelzelt, um irgendwann auf der Hauptbühne zu stehen — weil sich die Organisatoren in deren Musik und in die Menschen verliebt haben. Das sei das Family-Flair, das dieses Festival ausmache. Ferner, dass beim drohenden „Absaufen“ des Geländes die Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehr die eigentlichen Popstars sind. Dass man in den ersten fünf Jahren der Festivalgeschichte Geld verloren habe, was aber gut gewesen sei, um seiner Linie treu zu bleiben.
Auf die Frage, was den Spirit des Halderner ausmache, antwortete Stefan Reichmann, dass dieses Festival kein Geschäftsmodell sein, es gehe hier um die Sache … um die Musik:
„Man kann ein Festival veranstalten, um Tickets zu verkaufen. Oder man verkauft Tickets, um ein Festival zu veranstalten — das ist ein großer Unterschied, der vielleicht auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist.“
Aber den fühlt man, wenn man einmal beim Halderner war (Anmerkung der Redaktion).
Die Resilienz gegenüber der Kommerzialisierung des Festivals, die aufgrund des Erfolges ja naheliegen könnte, spiegelt sich in dieser mentalen Haltung von Stefan Reichmann wieder: „Wenn ein großer Sponsor kommt und einem viel Geld bietet, muss man aufpassen, dass man die eigentliche Idee oder das Geheimnis, die Seele des Festivals, nicht verkauft.“
Auf die Frage nach seiner Selektion, zu seinem Job als Booker, antwortet er: „Ich denke nicht an das Publikum insofern, dass ich deren Erwartungen erfüllen möchte. Sondern ich denke an das Publikum, weil ich eine Vorfreude besitze, dieses Publikum zu überraschen und zu begeistern.
Die Vorbereitung
Angesichts des Gehörten, Gesehenen und Gelesenen habe ich noch mehr Lust auf dieses Festival — ganz egal, welchen Plan Petrus mit seinen Wolken verfolgt.
Ich kümmere mich erst einmal um das sogenannte Line-up — wer erwartet uns auf den vielen Bühnen in diesem Jahr?
Eine Liste auf Spotify bietet mir Häppchen vom musikalischen Büffet, das uns erwartet, während ich die Packliste für den Landy runterschreibe. Die Spotify-Liste haben wir ebenfalls mit euch in der Tool Box geteilt.
Gummistiefel und Regenmantel sind gesetzt, genauso wie Foto- und Video-Equipment und ein Mobile Office, um alles vor Ort verarbeiten zu können.
Als Ausfluss unseres Besuchs der Abenteuer & Allrad bereichert uns seit Kurzem eine Jackery Explorer 1000 Powerstation. Diese wird über ein leistungsstarkes Jackery Saga 200W Solarpanel gespeist. Eine autarke Stromversorgung, die unsere Vision vom Arbeiten an jedem Ort mit
unseren MacBooks, iPads, Kameras … nebst gekühlten Getränken aus einer amtlichen Kühlbox gewährleisten soll.
tool box
Ich bin gespannt auf den ersten Praxistest. Ich entscheide mich schweren Herzens gegen umfangreiches mobiles Koch-Equipment und meine heiß geliebte antike Peugeot-Kaffeemühle. Die Arbeit soll im Fokus stehen, nicht der Genuss.
Auf der Festival-Seite des Halderner finde ich einen Link zur App TimeSquare, in der das gesamte Festival-Programm hinterlegt ist:
https://timesquare.app.link/n7PsZxak7qb?_p=c81429c390057af7e0038ffeee
Ein geniales Tool, das mir in den kommenden Tagen extrem wertvolle Dienste leisten soll. Superübersichtlich, mit Kurzbeschreibungen zu den Bands und deren auf Social-Media-Kanälen wie Insta, Facebook, YouTube und Spotify hinterlegten Infos.
Die ausgewählten Favoriten heben sich farblich vom übrigen Programm ab und man wird rechtzeitig informiert, an welcher Location man auflaufen soll, um seine Bands zu sehen.
Donnerstag, 03. August 2023 — Day One: Adam French, Tom Odell and more – Das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und das Leben mit vielen Menschen zu feiern
Bestens vorbereitet klettere ich in den Landy. Auf der kurzen Anfahrt noch ein Zwischenstopp beim Caravan Center. Kaffee mit Christian Thielkes, um das Storydesign für einen Reisebericht zu erörtern. Eine spontane Möglichkeit, den Haldern-Aufenthalt ein wenig regensicherer zu gestalten. Ad hoc geliehener Comfort-Wohnwagen statt der vier vorgeplanten Nächte im Dachzelt? 🙂 „Nein, nur die Harten kommen in den Garten“, denke ich mir … Auf gehts zum Halderner.
Nach 13 Kilometern reihe ich mich in den wartenden Konvoi am Eingang zum Campingplatz ein. Auf handgemalten Schildern spiegelt sich das wider, was der ganze Ort, seine Menschen und das Team des Halderner in jedem Jahr ausstrahlen — diese besondere Willkommenskultur.
Am Presse-Check-in stattet mich eine junge Lady mit den Bändchen aus, die uns den Zugang in die Bereiche für Fotografen ermöglichen. Sabrina, wie ich von ihr erfahre, als sie sich als PAN-Gefährtin zu erkennen gibt. Hauptberuflich arbeitet sie im Marketing bei unserem Partner Wohnwelt Fahnenbruck mit Standorten in Voerde und Bocholt. Seit 2007 engagiere sie sich ehrenamtlich auf dem Halderner.
Ich werde durchgeschleust zu einem der ruhigeren Camping-Areale, dorthin, wo Techniker, Team-Mitglieder, Crews etc. ein Zuhause für die kommenden vier Tage finden.
Die Sonne blinzelt zwischen den Wolken durch. Ein guter Zeitpunkt, um das Solarpanel aufzubauen und ihr entgegenzustrecken. 14.00 Uhr ist es mittlerweile. Mein Magen funkt ans Hirn, ob ich spontan in einen Hungerstreik getreten sei. Recht hat er, ich mache mich auf den Weg, zumal ich um 16.00 Uhr Adam French bei seinem Konzert in der Church erleben möchte.
Gummibestiefelt und mit einem Regenmantel, der übers Knie reicht, trete ich den 1,7 Kilometer langen Fußmarsch ins Dorf an. Vorbei an der stetig wachsenden Schlange der Anreisenden, die sich vom Wetter ebenfalls nicht haben vergraulen lassen.
Entgegen der Ankündigungen meiner Wetter-Apps öffnet sich auf halbem Weg abermals der Himmel. Eigentlich bin ich gut equipped gegen den einsetzenden Regen — wenn er denn nur gehorsamer der Schwerkraft folgen würde. Aber dieser schräg einfallende 45-Grad-Neigungsregen flutet meine Gummistiefel binnen weniger Minuten bis auf Eichstrich-Niveau.
Pudel-triefend finde ich Unterschlupf in der Pizzeria La Roma in Haldern. Die wohlschmeckende Pizza Tonno, ein Krautsalat mit Cocktailsoße, zwei Gläser Lambrusco und ein Cappuccino lassen das Lächeln in mein Gesicht zurückkehren.
Kurz vor 16.00 Uhr treffe ich an der Kirche St. Georg ein. Die Pressebändchen und ein sehr freundlicher junger Mann aus dem Orga-Team ermöglichen mir den Zutritt zu einem Shooting-Spot in Poleposition. Ich nehme einen Platz auf den Stufen zur Kanzel ein. Die Kirche ist rappelvoll, ich denke, bestimmt 400 Personen haben dort Platz gefunden. Zeit zum ungefähren Durchzählen finde ich nicht, ich muss mein Foto- und Video-Equipment einsatzbereit machen.
Pünktlich betritt Adam French die Empore um den Altar, die als Bühne fungiert. Ein megasympathischer Typ mit einer Ohren schmeichelnden Stimme.
Am 22. Oktober 2018 hatte mir der Entdeckungs-Modus von YouTube Music seinen Song Weightless über die Boxen geschickt. „Den habe ich bislang total verpennt … hat ein bisschen von Brian Adams … Paulo Nutini … einfach toll … Licht dimmen, Rotwein einschenken, Musik aufdrehen, wow!“, hatte ich damals in einem spontanen Posting gweteilt. Wenn Ihr fühlen wollt, was ich meine, hier der Link zu unserem Kanzel-Video:
https://www.youtube.com/watch?v=YbKCm4shBto
Beseelt und versöhnt mit dem Regenspektakel trete ich den Heimweg zum Camp an. Die Außenspiegel des Landy erweisen sich als optimale Gummistiefel-Ständer — zwei Schraubzwingen werden zum Sockentrockner.
Gegen 20.00 Uhr bin ich äußerlich trockengelegt, um mich mit der eintreffenden Kirsten innerlich mit einem Begrüßungsglas Rosé aus dem Languedoc anzufeuchten. Um anschließend eine Runde übers Festivalgelände zu drehen und diese Symbiose aus Lichtern, Schlamm, fröhlichen Menschen und Musik einzufangen.
Wo wir gerade beim Einfangen sind … ein fröhlicher Trunkenbold ist nicht weit davon entfernt, sich einen Satz heiße Ohren von meiner Lady einzufangen 🙂 Kirsten hat sich in eine Portion Falafel schockverliebt. Diese gilt es jetzt durch den ca. 25 Zentimeter tiefen Matsch in Richtung Hauptbühne zu balancieren.
Das Ganze hat was von „Spiel ohne Grenzen“ — wobei Kirsten das weniger lustig findet als ich. Sie scheint ein wenig die Contenance zu verlieren, insbesondere, als sich ihr rechter Stiefel in dieser Modderpampe festsaugt und sie beinahe vornüberschlägt.
Ein Rohrspatz wäre vor Neid erblasst, angesichts der Worte und Laute meiner Frau. Kein guter Zeitpunkt für blöde Sprüche, weiß ich — nicht jedoch der Trunkenbold.
Sein: „Stell dich nicht so an, du Trulla, immer schön fröhlich bleiben“ scheint im allgemeinen Soundmix aus Hauptbühnen-Musik, Platzregen und Schlamm-Watschel-Geräuschen untergegangen zu sein 🙂 Anschließend entspannen sich Regen und Gemahlin — die ich gegen 22.00 Uhr als „Heimschläferin“ vorläufig verabschiede.
Am nächsten Morgen stehen nämlich PAN-Kunden-Shootings auf Kirstens Agenda.
Gegen 22.00 Uhr betritt Tom Odell die Main Stage und setzt sich ans Klavier. Tom dürften vielen von euch durch seinen Song Another Love bekannt sein. Es ist bei ihm deutlich zu spüren, dieses 200-Prozent-
Commitment zum Festival und sein Bock, sich mit dem Publikum zu connecten. Mit seinem Song Hold me animiert er uns auf die sympathisch-möglichste Weise, sich zu umarmen, mitzusingen und im Rhythmus zu klatschen. Als Rhythmus-Legastheniker bin ich bei solchen Nummern besser raus. So bleiben meine Hände frei, um ein paar Video-Slides zu drehen, die Ihr auf dem PAN-YouTube-Kanal findet:
https://www.youtube.com/channel/UCh0hrIqyhoivMrmyKxuQ59Q
Der bestens aufgelegte, top performende Tom Odell beschert mir persönlich den zweiten Catch-of-the-day neben Adam French.
Vorbei an einer Café-Ape, die sich in der Nähe zum Festivaleingang in den Matsch eingegraben hat, geht es zurück zum Landy. Ich weiß bis heute nicht, ob das der vorgesehene Standort für dieses Kaffeegefährt war oder ob man aus der Not eine Tugend gemacht hat — wie aus vielem.
Während ich bei einem Schlummer-Rotwein das Video von Adam French hochlade, lünkert der Mond über die Wolken, wie ein weiterer Scheinwerfer des Festivals.
Freitag, 04. August 2023 – Day Two: Haldern mit Freunden – Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nahe?
Der frühe Vogel fängt den Wurm — oder eine warme Dusche. Nach der ersten Nacht im Dachzelt bewege ich mich grund-gereinigt mit Schlappen zur Café-Ape, die mittlerweile ihren Betrieb aufgenommen hat. Apropos Betrieb … während der Nacht und am frühen Morgen müssen unzählige Heinzelmännchen am Start gewesen sein, um zugeschlammte Plätze und Wege mit Stahlplatten, Holzhäckseln, Mulch, Stroh etc. trockenzulegen. RESPEKT und DANKE für diese Energieleistung.
Danke auch an die Crew des Kaffeemobils, die sich nicht hat entmutigen lassen. Neben einem Kaffeebecher steht auf einem Papp-Tablett mit Edding geschrieben „Trinkgeld für Gummistiefel“. Ich ordere zwei Becher Kaffee fürs morgendliche Schreiben und komme dem sympathischen Gummistiefel-Sponsoring nach.
Ungefähr siebeneinhalb Meter weit kommt „Bruder Leichtfuß“ mit seinem Kaffee und seinen Schlappen. Eine sehr höfliche junge Frau kann nur mit Mühe ihren Lachkrampf bändigen, angesichts meiner Schlitter-Performance auf den noch glitschigen Kunststoff-Laufplatten. Circa 44 Prozent des Kaffee-Füllstandes ergießen sich unangenehm heiß über meinen gerade gereinigten Body. Wie doof kann man(n) eigentlich sein? All die anderen tragen ihre Gummistiefel ja nicht zur Zierde. Ab jetzt gilt „GSP“ (Gummistiefel-Pflicht). Du Depp, denke ich, als ich zum zweiten Mal in eine der Duschkabinen klettere, um Kaffee und Schlamm abzubrausen.
So sehr ich die Schreibplätze in unserem Verlag, in unserem „Nest“, liebe … aber dieses Gefühl von Freiheit … die Möglichkeit, sich in der Natur ein Green Office einzurichten, ist genial und sogar bezahlbar — denke ich, als ich das Solarpanel gen Sonne ausrichte und MacBook & iPad an die Powerstation anschließe.
Genauso wichtig wie ein inspirierendes Umfeld ist für mich der Zustand zwischen meinen beiden Ohren – der Mood, in dem ich mich befinde. Und der ist gerade optimal, angesichts der Erlebnisse des gestrigen Tages.
Während ich Fotos sichte und Eindrücke skizziere, taucht ein ca. achtjähriger Junge mit einer kleinen Pocketkamera in meinem Sichtfeld auf und fragt, ob er Fotos von unserem Landy machen dürfe. Sein Vater würde auch einen Defender fahren, sieben Stück hätten sie bislang auf dem Festivalgelände gezählt. Ich lade den blitzgescheiten, höflichen jungen Mann ein, ins Dachzelt zu klettern, um auch davon Fotos zu machen. Die Neugierde darauf haben mir seine Blicke verraten.
Kurze Zeit später tauchte Ella auf — wobei ich mir mit dem Namen nicht mehr ganz sicher bin. Eine junge Frau, die mit ihrem Mann und ein paar Freunden in Rufweite mit ihrem VW-Bulli mit britischem Kennzeichen campiert. Das Solarpanel hat sie angelockt, um ihre Neugierde über eine externe Stromversorgung zu befriedigen und meine Erfahrungen abzufragen. Sie seien langjährige Freunde von Stefan Reichmann, dem Veranstalter, und gute Freunde der Jungens von Bear’s Den, die heute Abend auf der Main Stage spielen würden. Ein Blick auf TimeSquare verrät mir das Aussehen der Jungens und die Bestätigung, dass zwei von ihnen — Andrew und Kevin – gerade einen Kaffee mit Ellas Mann trinken.
Gestern beim Aufbau hatte mir mein unmittelbarer Nachbar Strom und Wasser angeboten. Er würde die LED-Wand neben dem Spiegelzelt technisch supporten. Auch das ist Haldern, diese Fülle von nett-sympathischen Begegnungen. Gegen 13.00 Uhr … ihr wisst schon … Magen und Gaumen verbrüdern sich und fordern ihren Sold. Angesichts der bisherigen Ausbeute stand eine kleine Belohnung jenseits von Festival-Fritten und Co. an.
Der „schwarze Mann“ (so kam ich mir angesichts des vermeintlichen Vollschutzes aus Regenmantel und amtlichen Gummistiefeln vor) bewegt sich in Richtung „Doppeladler“ im Ortskern. Das Restaurant ist u. a. bekannt für seine kroatischen Grillspezialitäten. Als bekennender Cevapcici-Freak liegen diese im Visier meines heutigen Lunches. Mein: „Bitte mit Ajvar und scharfen Peperoni“ wird mit einem freundlichen Grinsen des Kellners quittiert. Bis zum Eintreffen meines Wunschgerichtes rasch noch ein paar handschriftliche Zeilen in meine Lederkladde … ein über zwei Jahrzehnte gewachsenes Ritual, um im Schreib- und Kreativfluss zu bleiben. „Ich kann Ihnen den Lachs in Champagner-Sahnesoße mit Krabben empfehlen“, flüstert mir eine vertraute Stimme ins Ohr. Mit dem Besitzer der Stimme, Johannes,
einem der alten Haldern-Gefährten, der mit Caro und Philipp ein paar Tische weiter sitzt, verabrede ich mich zu einem Weinchen an deren Camp im Camp, wenn Kirsten morgen eintreffen würde.
Meine gleich gute Hälfte (weiß gerade nicht, wer den Unsinn mit der besseren Hälfte ersonnen hat 🙂 ist heute noch auf Fotoshootings unterwegs.
Kurz vor 15.00 Uhr finde ich mich im Spiegelzelt ein. Susan O’Neill aus Irland hatte ich mir in TimeSquare markiert. Mittels Pressebändchen gelangt man in den „Fotografen-Graben“ — dort kann man mit den Kolleginnen und Kollegen ungestört die Impressionen zu den ersten drei Stücken einfangen. Ich finde Susan genial, insbesondere, als sie ein paar Passagen auf ihrer Piccolo-Trompete einfließen lässt. Leider musste ich später feststellen, dass ich vergessen hatte, mein Røde-Mikro auszusteuern 🙁
Gleiches gilt für die Aufnahmen von Olivia Dean, die später auf der Main Stage auftritt. Sie erinnert mich an die junge Sade, sowohl vom Look als auch von ihrer unbeschwerten Anmutung auf der Bühne her.
Ein netter Security-Mitarbeiter ist derart fasziniert von meinem Video-Equipment, dass ich ihm jedes Detail mit Bezugsquelle und ungefährem Preis schildere. Darüber habe ich versäumt, Olivia in ihrem rot-weiß-gemusterten Kleid und ihren roten Halbsocken in den schwarzen Lackschuhen zumindest via Foto einzufangen.
Einer der wenigen verpassten Elfmeter während dieser Tage.
Was soll es, die Dankbarkeit des Security-Mitarbeiters (Paul Panzer würde „Chicorée“ sagen 🙂 war es wert.
Vorbei an im Matsch spielenden Kids schürt eine Menschenansammlung vor einem Zelt meine Neugierde — das Europazelt, das ich bislang nicht auf meinem Zettel hatte. Dort moderiert Aladin El-Mafaalani eine Gesprächsrunde, bestehend aus: Mona Neubaur (Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW), Tim Jürgens (stellv. Chefredakteur 11 Freunde) und Dimitri Hegemann (Gründer und Betreiber des Techno-Klubs „Tresor“ im Kraftwerk Berlin Mitte).
Ich bin überrascht, ein solch spannendes Panel hier auf Haldern anzutreffen und wertschätzend diskutieren zu sehen. Es geht um das Zusammenspiel, die Gemeinsamkeiten von Generationen, so wie es sich im Mix der Alterskohorten hier auf Haldern spiegelt. Unerwartet, spannend, wow!
Lediglich die untergehende Sonne vermag mich abzulenken, weil sie dem noch feuchten Festivalgelände Nebelschwaden entlockt — ein Schauspiel, das es einzufangen gilt.
Nach diesem Blue-Hour-Shooting werde ich selbst eingefangen — und zwar von unseren Freunden Sarah und Mike Nowak von Imping Kaffee. Die beiden haben ihrem „Pralinenhäuschen“ auf dem Festivalgelände, nebst Rolf Kampshoff und Team, einen Besuch abgestattet. Das Teil kann man übrigens für Veranstaltungen buchen … glaube ich 🙂
Bei einem Bierchen offenbart sich, dass die beiden Festival-Freaks schon viele Besuche wie Rock am Ring, Hurricane, Parookaville etc. auf ihrer Bucket List abhaken konnten — aber die Schönheit des Halderner … quasi vor unser aller Haustür bislang nicht gepeilt hatten. Insbesondere Mike ist beim Rundgang über das Gelände sprachlos — was eher selten der Fall ist 🙂
Mike erspäht in einem Zelt seine Bekannten/ Freunde Sabine und Peter van Nahmen, die sich dort bei ihrem Team blicken lassen. Während wir mit einem hauseigenen Cidre aus deren Saft-Manufaktur auf unser Treffen anstoßen, wird „Saft-Papst“ Peter von zwei weiblichen Hardcore-Fans als solcher erkannt und angesprochen. Die beiden Saft- und Cidre-Verzückten kommen übrigens aus Hamburg. Unsere Region scheint im Außen- teilweise besser erkannt und wertgeschätzt zu werden als im Nahfeld — schmiere ich Mike aufs mentale Butterbrot, als wir uns zur Hauptbühne auf den Weg machen, wo gerade Bear’s Den ihr erstes Stück spielen. Während Mike seinen Mund nicht mehr zubekommt, angesichts der Nähe zur Bühne und der Qualität der Band, hadere ich mit der verpassten Gelegenheit, heute Morgen einen Kaffee mit den Jungens geschlürft zu haben.
Gegen Mittag breche ich abermals zur Kirche auf, wo ich um 13.00 Uhr meinen „Stammplatz“ an der Kanzel einnehme. Spannend, die Lichtimpressionen hinter dem Altar, durch die hölzernen Ornamente des Kanzelaufgangs, einzufangen. Pünktlich um 13.00 Uhr nimmt Emil
Svanängen (bekannt als „Loney Dear“) aus Schweden seinen Platz am Klavier ein und zieht das Publikum in den Bann seiner vorwiegend melancholisch-sakralen Songs. Ich erspähe Stefan Reichmann, der rechts von der Empore dem Konzert folgt. „Ich sehe mich auf der Seite des Publikums, weil ich mich genauso auf das Festival freue wie das Publikum“ — hatte ich von ihm gelesen.
Die beiden sind so dankbar für die Chance, auf der Main Stage zu spielen, nachdem sie in den Jahren zuvor in der Kirche und im Spiegelzelt aufgetreten waren.
Das sagen sie … und das fühlt man in ihrer Performance.
Apropos Performance … gegen 00.05 Uhr wollen wir uns zum Schluss noch Glauque geben — eine Truppe aus Namur (in Belgien).
Diese Stadt ist für ihre Ruhe und ihre gelassene Gemütlichkeit bekannt. Ganz anders hingegen die vor uns musizierenden
Söhne dieser Stadt. Als sie mit ihrem frankophilen Extrem-Hip-Pop einsetzen und den Bass hochdrehen, wünsche ich mir ein paar dieser Mickymaus-Ohren die erfahrene Festivalbesucher ihren Kids aufsetzen, um die noch jungen Trommelfelle zu schützen.
Die hätten es auch anders ausdrücken können, dass die Quenty-forty-Fraktion in die Heia gehört 🙂 Ein letztes Personal-Bierchen am Pralinenhäuschen und das Indianer-Ehrenwort mit Sarah und Mike, dass wir das Haldern Pop 2024 gemeinsam an allen drei Tagen erleben werden.
Samstag, 05. August 2023 — Day Three: Eintreffen Kirsten — Catch-of-the-day — Glen Hansard und The Golden Dregs
Geduscht und diesmal mit Gummistiefeln gewappnet, ordere ich an der Café-Ape einen großen Kaffee und eine dampfende Waffel. Während ich warte, blicke ich auf die neuen, froschgrünen Gummistiefel der Kaffee-Einschenkerin. Der sympathische Trinkgeld-Appell scheint seine Wirkung entfaltet zu haben. Die Sonne zwischen der aufgelockerten Bewölkung speist die Powerstation mit Strom und ich mein MacBook mit geschossenen Impressionen und Texten.
Jetzt sehe ich, wie bedacht Stefan das ist, was er sagt. Mehrmals habe ich ihn wahrgenommen, in seiner unaufgeregt authentischen Art … mal der Podiumsdiskussion im Europazelt lauschend … mal auf einem Rad zwischen den Locations radelnd. Immer auf Sendung … und trotzdem souverän und entspannt. RESPEKT.
13.07 Uhr … Kirsten kündigt ihr Eintreffen in 20 Minuten an. Genau der richtige Zeitpunkt, um beim Café Jansen im Ortskern ein Frikadellen-Brötchen zu lunchen.
Angesichts des Pflaumenkuchens, den meine Bestell-Nachbarin über die Theke gereicht bekommt, entscheide ich mich um: „Aber bitte mit Sahne“ — von mir gesprochen und nicht gesungen, was wirklich besser ist 🙂
Das Team jenseits der Theke agiert ebenso freundlich und motiviert wie die Künstler auf den Bühnen. Hier im Café sind sie die Popstars. Für mein Ensemble aus Kuchen und Kaffee wird ein sympathisch-humaner Preis aufgerufen. Hier dreht halt keiner durch, um sich an den Geldbeuteln des Festivalpublikums unangemessen zu laben. Bei der ersten Gabel des Pflaumenkuchens fällt mir Kirstens Ausspruch „Dafür kommst wieder“ ein. Genauso ist das. Ich bin mir sicher, dass wir diesen sympathischen Ort Haldern auch jenseits des Festivals wieder aufsuchen werden.
Am Neben-Bierzelttisch vor dem Café Jansen findet jemand ein hochwertiges iPhone, das er sofort bei der Kuchentheke hinterlegt. Ein betagter Rad-Tourist spricht mich auf die ganzen „gestiefelten Kater“ an, die er am Ort wahrgenommen hat. Ich erläutere ihm, dass man daran den erfahrenen Halderner Festivalbesucher erkennt. Es scheint, als könnte ich ihn im nächsten Jahr hier wieder sehen — er scheint durchaus interessiert.
Kirsten gabelt mich beim Café Jansen auf. Wir fahren zum Camp. Als sie ihr Gefährt auf der Wiese neben dem Landy abparkt, spiele ich It’s raining again von Supertramp übers MacBook — passend zum abermals einsetzenden Regen. Bei einem Glas „Arrogant Frog“ verflüchtigt sich der kurze Schauer. Zeit, um Caro und Philipp, Johannes, Simon und Anne und den anderen Konsorten einen Besuch in ihrem Camp abzustatten. Wir teilen alte Geschichten, die immer noch so schön wie damals sind. Alles eigentlich genau wie vor zehn Jahren, nur dass viele mittlerweile Kinder haben, die bei den Eltern geparkt wurden, um mal wieder richtig Haldern zu feiern. Zum Teil ein wenig gemütlicher als vor Jahren — aus ihren Zelten sind Wohnwagen und Wohnmobile geworden 🙂
Später auf dem Gelände treffe ich meinen jungen Freund, den Defender-Zähler, wieder. Swadan heißt er. Mittlerweile sind es zwölf Exemplare dieses Kultautos, inklusive des Malteser-Landys, die er habe zählen können.
Um 22.00 Uhr erleben wir den fulminanten Auftritt von „Freddy Fischer & His Cosmic Rocktime Band“ unter dem Niederrhein-Tent. Sein Auftaktsong Komm und tanz mit mir … zur Discomusic erinnert ein wenig an eine Mischung aus Guildo Horn und Christian Steiffens Ich fühl mich Disco. Eine super Performance, in der Freddy es versteht, das umstehende Publikum in seinen Bann zu ziehen. Im Nu ist das halbwegs trockengelegte Matsch-Parkett mit Gummistiefel-Dancern gefüllt.
Um 22.15 Uhr stehen wir im Fotografen-Graben der Main Stage, als einer unserer musikalischen Lieblingsmenschen, bejubelt von der Masse, die Bühne betritt — Glen Hansard. Es müsste im Jahre 2008 gewesen sein, als dieser irische Vollblut-Musiker in mein Leben trat. Damals durch den irischen Independentfilm Once von John Carney. Der Regisseur hatte den Plan, einen Film über einen Straßenmusiker zu machen. Zu diesem Zweck bat er seinen Freund Glen Hansard, einige Lieder zu schreiben, die er im Film verwenden konnte. Wie Glen vom Songwriter zu einem der beiden Hauptdarsteller mutierte, erfahrt ihr hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Once_(Film)
Aus dieser tollen Geschichte ging nicht nur der Oscar im Jahre 2008 für den Song Falling Slowly hervor, sondern auch eine Beziehung mit seiner Filmpartnerin Markéta Irglová. Die beiden sind kein Paar mehr, treten aber bisweilen noch miteinander auf — leider nicht an diesem Abend in Haldern. Wobei: Glens Passion, auf der Bühne alles zu geben, reicht für mehr als zwei Personen, wie wir auf Konzerten in Hamburg und Bremen erfahren haben, und heute Abend abermals in Haldern.
In unserer YouTube-Playlist „Unsere Highlights Haldern Pop 2023“ findet ihr eine Selektion von Glens Songs, wo man unschwer erkennt, wie er sich im Sinne seiner Musik verausgabt und die Bühne mit anderen Künstlern teilt:
https://youtube.com/playlist?list=PLXiabE4C8o9WEzlHBUfciMHhEO5h30Gbi
Zu den größten Momenten in seinen Konzerten zählt für mich, wenn er seine E-Gitarre beiseitestellt und sich eine seiner uralten Schröddel-Gitarren reichen lässt — anders kann ich das als Laie nicht bezeichnen. Ein kampferprobtes Schätzchen, bei der er unter dem Schallloch ein zweites Loch offensichtlich mit seinen Fingernägeln reingeschraddelt hat — ganz toll eingefangen von Kirsten und ihrer Nikon. Wir stellen in der Online-Variante dieses Artikels weitere Fotos zum Download für euch bereit. Nach dem Song When your Mind’s made up rücken wir schweren Herzens ab in Richtung Spiegelzelt. Glen hatten wir schon mehrere Male live gesehen, „The Golden Dregs“ hingegen noch nie. Was ich via TimeSquare auf YouTube und Spotify vom „Goldenen Bodensatz“ vorgespielt bekomme, prophezeit eine weitere Bereicherung für mein Faible „starke Stimmen“. In einem Interview hatte ich gelesen, dass Frontmann und Mastermind Benjamin Woods wahrscheinlich noch immer in einer Bar in London arbeiten würde, wenn die Pandemie nicht gewesen wäre. Er verlor seinen Job, seine Wohnung und zog zu seinen Eltern nach Cornwall. Seinen Lebensunterhalt verdiente er fortan auf einer Baustelle. Das habe ihn geerdet und ihm die Motivation gegeben zu schreiben: Texte für seine Songs, die in London rein instrumental gewesen waren, ohne Konzept.
Die Band betritt die in blauem Licht gehüllte Bühne. Ein toller Kontrast zu ihren weißen Jeans und Schlabbershirts. Der halb getrocknete Schlamm an den schwarzen Boots unterstreicht sowohl die Story der Band als auch den Zustand des Geländes draußen.
Die Stimme von Benjamin hat etwas von der Lässigkeit eines Brian Ferry. Seine Melancholie holt Erinnerungen an Leonard Cohen hervor. Ein Hauch David Bowie … und wenn es mit der Stimme noch tiefer geht, glaube ich, Alexander Veljanov rauszuhören (Album Leben von Schiller — der Song Desire).
Apropos tiefe Stimmen. Die Talsohle dürfte irgendwo bei Tom Waits angesiedelt sein, wobei Google verrät: Der stille Sänger Tim Storms hält den Rekord für die niedrigste Note, die jemals von einer menschlichen Stimme aufgenommen wurde.
Nach drei Songs im „Schützengraben“ bewegen wir uns nach draußen, vor das Spiegelzelt, wo unsere Camp-Nachbarn die LED-Wand aufgebaut hatten. Eine ganz besondere Szenerie, um unseren Catch-of-the-day ganz entspannt zu Ende zu hören.
Bei einem letzten Glas unter der Markise unseres Landys ordern wir die aktuelle Vinyl von The Golden Dregs. Während wir von dieser Scheibe mit dem Titel „On Grace & Dignity“ den Song American Airlines streamen, sind wir uns einig: „Mehr geht gerade nicht.“ Obwohl … ein Interview mit Glen Hansard, der sich mit seinem Tourbus in unserem Rücken zum nächsten Konzert aufmacht, wäre schon toll gewesen.
Next time.
Sonntag, 06. August 2023: Fazit — Ausblick — Save the date
Geduscht, bekaffet, Schlamm an den Hacken, sitze ich schreibend unter der Markise des Defenders, als sich der Tross der Abreisenden in meinem Rücken in Bewegung setzt. Die Szene an der Café-Ape vorhin ist bezeichnend für all die kleinen und großen Erlebnisse der letzten drei Tage. Ich hatte gestern Nacht all meine Haldern-Pop-Taler (die einzig gültige Währung auf diesem Festival) unters ausschenkende Volk gebracht. Aus dem „Bargeld dürfen wir nicht annehmen“ meiner Kaffeeausschank-Lady mit den froschgrünen Gummistiefeln leitete ich eine Loyalität zum Veranstalter ab, wo möglicherweise andere ein paar „schnelle Euronen“ eingesackt hätten. Erlebnis-Nummer zwei: Ein Typ hinter mir steckte mir unaufgeregt zwei dieser Pop-Taler zu. Der Mensch scheint zu wissen, wie sich Kaffeedurst anfühlt. Als ich ihm einen 5-Euro-Schein zustecken will, winkt er dankend ab. Okay, Sportsfreund, deine Rückennummer habe ich mir gemerkt. Wir versprechen uns ein gemeinsames Bierchen auf dem Halderner 2024 und verabschieden uns.
Während ich meine Eindrücke clustere, horche ich tief in mich hinein. Ich fühle mich ein Stück weit lebendiger. Ich erinnere mich an die Einschätzung von Peter van Nahmen, der das Gefühl hatte, als wenn sich auf dem Halderner in die Jahre gekommene Pfadfinder treffen, um die Musik … das Leben zu feiern.
Ich nehme wenige Unterschiede zu meiner Premiere im Jahr 2006 wahr. Lediglich die damaligen Saufspielchen tendieren in diesem Jahr gegen null — was ich als wenig dramatisch empfinde.
Akku von Körper und Geist bewegen sich im Einklang mit der Powerstation. 81 Prozent zeigt diese noch an — trotz der bescheidenen äußeren Bedingungen.
Das Teil ist genial — fürs nächste Jahr setze ich einen Kompressor-Kühlschrank mit Eiswürfelbereiter auf meine Bucket List. Wäre doch toll, nach einem Menü aus unserer Landy-Kitchen einen Espresso Martini servieren zu können, zumal Sarah und Mike mit von der Partie sind 🙂
Gleiches gilt für meine heiß geliebte Peugeot-Kaffeemühle, die uns als Plan B begleiten wird. Allzeit bereit, für Kaffee, Vino und Gambas-Spektakel. Ein Ritual aus vergangenen Zeiten, das wir mit unseren alten Haldern-Gefährten wieder aufleben lassen werden.
Sogar beim Niederschreiben dieser Story an zwei Abenden auf dem heimischen Rooftop fährt Mutter Natur sanft ihre Krallen aus. Dunkle Wolken versperren das Licht auf das Abendrot. Egal … und wenn ich in Gummistiefeln weiterschreiben muss :). Es war ein irres Gefühl, diese Erlebnisse niederzuschreiben … und all diese schönen Momente noch mal zu durchleben … und dies mit dem passenden Wetter.
Es ist schon so, wie Stefan Reichmann in einem seiner Interviews resümierte: „Das sind doch bezaubernde Momente. Menschen können diese Momente abspeichern und damit wunderbar über den Winter kommen. Es werden Geschichten produziert, man lernt sich kennen, die Leute erzählen sich was und teilen sich diese gemeinsamen Momente.“
Ein fettes MERCI an Stefan Reichmann und das gesamte Team vom Halderner, inklusive Sabrina Fromm und Alex Kuppi, die wir namentlich kennengelernt haben.
„Be true – not better!“ – see you next year.
Save the date
Kaltern Pop 2023
12. bis 14. Oktober 2023in Kaltern am See/Südtirol
Ich habe bis vor Kurzem immer den Hinweis auf das Kaltern Pop überlesen.Ich weiß nicht, ob ich es für einen Schreibfehler gehalten habe.
Fakt ist, dass die Jungens und Mädels vom Haldern Pop das Festival in Südtirol kuratieren. Wir halten das spontan für eine grandiose Idee, ein solches Festival, eingebunden in einer traumhaften Kulisse, zu besuchen – verbunden mit einer kleinen Auszeit. Vielleicht sehen wir uns. Der Vorverkauf startet in Kürze.
Save the date
Haldern 2024
08. bis 10. August 2024
Tickets sind jetzt schon erhältlich. Drei Tage Festival inklusive Camping kosten 162,80 Euro. Normalerweise gibt es auf der Zielgeraden auch noch Tageskarten. Aber das wäre so, als würde man bei einem köstlichen Dinner nur die Vorspeise kosten wollen 🙂
Wir fänden es großartig, mit vielen von euch auf dem Halderner 2024 Eindrücke und ein Glas Wein zu teilen – zumal der PAN im nächsten Jahr sein 25. Jubiläum feiert 🙂