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Sophia, Luna und das Horn der Hoffnung

Nov 28, 2023 | Specials

Text: Barbara Belting

Sophia ist sechs Jahre alt und geht in die erste Klasse der Grundschule. Nun hat sie endlich Ferien, auf die sie sich schon lange freut, denn ihre Eltern haben einige Ausflüge und kleine Abenteuer mit ihr geplant. 

Als Sophies Vater eines Morgens die Zeitung aus dem Briefkasten holte, stand auf der Titelseite die neueste Nachricht: Die Giraffenkuh Steffi hat ihr Baby zur Welt gebracht. Schnell weckte Vati Sophia, die sofort hellwach war, und legte ihr die Zeitung vor. Die kleine Familie besuchte den Zoo des Öfteren und somit war ihnen nicht entgangen, dass die Giraffe Steffi und der Giraffenbulle Paul versuchten, ein Baby zu bekommen. 

Sophia war total nervös als sie mit der Zeitung nach unten in die Küche lief. Das Erste, was Sophia sah, war das Foto von Giraffenmutter Steffi und ihrer Tochter. Oben links in der Ecke stand, dass beide wohlauf seien. „Jetzt wird ein Name gesucht“, sagte Sophia.  Und so stand der Plan, dass sie am kommenden Sonntag in den Zoo fahren, um die kleine Giraffenfamilie zu besuchen. Hätten sie die Zeitung bis zum Ende gelesen, hätten sie erfahren, dass das Giraffenkind krank ist. 

Am Sonntag war Sophies Mutter schon früh aufgestanden, um alles für ein Picknick zusammen zu packen. Sie hatte frische Brötchen aufgebacken und Orangensaft gepresst. Die Frikadellen waren auch schnell gebraten und so fehlte nur noch die Thermoskanne mit dem Kaffee. Sie verstaute alles in einer großen Box, die sie immer dabeihaben, wenn sie weitere Strecken fahren. Die Mutter packte noch ein paar Blätter von der Akazie, die im Garten steht, in den Beutel, dann war alles bereit für die Abfahrt.

Den ganzen Weg überlegte Sophia, wie das Giraffenbaby wohl heißen könnte: „vielleicht Lissy… oder Franzi… oder Luna… oder Rocky? 

Angekommen ging es sofort an den Ticketschalter, wo die Familie sich zusätzlich eine Transportkarre leihen konnte, um alles mitnehmen zu können. Für Sophia war auch ein großes Kissen dabei… für alle Fälle.

Los ging es vorbei an Elefanten, Nilpferden, Löwen und Tigern, Gorillas und Schimpansen, Zebras und Gnus, bis sie plötzlich vor den Giraffen standen. Mit einem Satz sprang Sophia aus der Karre und suchte die Akazienblätter. Sophias Mutter machte ein Foto von der Situation: das Giraffenbaby suchte Milch bei Mama Steffi. Danach half sie Sophia beim Suchen der Akatienblätter und wollte gerne wissen, ob man Steffi das schon füttern darf. In dem Moment kam der Tierpfleger auf die Familie zu. Er erzählte: „Zuerst haben wir uns sehr gefreut, dass es endlich Nachwuchs gibt. Erst bei der Untersuchung haben wir festgestellt, dass das Giraffenkalb nur ein Horn hat. Es ist eine Laune der Natur. Aber wie bei kleinen Babys, die die ersten Zähnchen bekommen, besteht immer noch die Möglichkeit, dass noch ein kleines Horn wächst“. Dann sah er Sophia an und meinte, sie solle bitte an die Anmeldekarte denken, bevor sie wieder nach Hause fahren, denn da gäbe es einiges zu gewinnen und eine Dauerkarte wäre auch dabei. Das tat die Familie auch. Sophia schrieb zuerst ihre Adresse und dann den Namenswunsch auf. „ Ich würde das Baby gerne Luna nennen“, sagte sie. Mutti und Vati fanden den Namen auch toll, und so schrieb Sophia in großen Buchstaben den Namen dazu. Ein Herz malte sie auch noch. 

Eine Woche später stand für Sophia ein Kontrolltermin beim Zahnarzt an. Sie hatte ihre Zähnchen extra noch mal ordentlich geputzt, bevor sie losfuhren. Der Zahnarzt guckte sich die Zähne an und konnte seiner Assistentin berichten, dass der eine oder andere vielleicht in Kürze herausfallen könne, um Platz für neue Zähne zu machen. Dann fragte der Arzt, ob er sonst noch etwas für Sophia tun könne. Da sprudelte es aus ihr heraus und sie erzählte dem Zahnarzt von dem Giraffenbaby, dem Horn und wie schlimm das alles wäre. Der Zahnarzt
erklärte Sophia geduldig, wie so ein Gendefekt zustande kommen könne. „Wenn ihr möchtet, kann ich gerne mal mit meinem Kollegen darüber sprechen, vielleicht kann er ja helfen“, schlug der Arzt vor. Danach gab er Sophia mit auf dem Weg, bis zum nächsten Zahnarztbesuch ein Bild von der kleinen Giraffe zu malen und verabschiedete sich von der Familie. Zuhause angekommen setzte sie sich an den Schreibtisch und malte ein Bild von der Giraffe. Das klebte sie auf eine große Dose und schrieb noch dazu „Spende für ein Horn der Hoffnung“. Sie war total begeistert von ihrem Plan. Beim nächsten Einkauf durfte sie eine der Dosen aufstellen, da wo ihr Vater immer tanken geht sowieso, und in der Schule sollte der eine oder andere Euro auch in der Dose landen. 

Als Sophia einige Tage später nach Hause kam, wartete Post auf sie. Sophia hatte bei dem Gewinnspiel eine Dauerkarte und eine kleine Stoffgiraffe, sowie eine  Einladung zur Taufe bekommen. Da war die Freude groß, denn seit dem Aufstellen der Spendendosen hatte sich nicht viel verändert. Sophia wollte gerne ihren Zahnarzt mit einladen, deswegen fuhr sie mit ihrer Mutter los, um die Einladung abzugeben. Der Arzt überraschte die beiden mit den neuesten Nachrichten in Bezug auf das Horn: Er hatte mit seinem Kollegen gesprochen und sie hatten bereits erste Pläne geschmiedet, um dem kleinen Giraffenbaby zu helfen. Dazu war eine Operation nötig und die passende Nachsorge, aber man konnte ihm auf jeden Fall helfen. 

Jetzt war der richtige Zeitpunkt, um die aufgestellten Spendendosen wieder einzusammeln. Sophia fuhr mit Mutti die Geschäfte ab, die Tankstelle und die Schule. Das Geld würde Sophia, am Sonntag nach der Taufe, feierlich übergeben. 

So aufgeregt war Sophia schon lange nicht mehr. Mutti hatte noch frische Akazienzweige in der Baumschule besorgt und alle freuten sich auf die Taufe. Der Zoodirektor hielt eine Ansprache und dann kam der feierliche Moment, als er sagte: „und so taufe ich dich auf den Namen… Luna.“ Alle applaudierten.  Dann ging Sophia an das Mikrofon und übergab dem Zahnarzt die Spendendosen. Dieser erklärte den Gästen seine Pläne und wie sehr er sich über die Spenden freuen würde. Niemand müsse sich Sorgen machen, denn wenn das Horn erst mal implantiert wäre, wäre immer noch genug Geld für die weiteren Kontrolluntersuchungen da. Erneut gab es einen riesigen Applaus. Im Anschluss verteilte der Zahnarzt noch Infoblätter. Später machten sich alle zufrieden auf den Heimweg.

Sophia dachte oft an die kleine Luna und hoffte, dass der Zahnarzt wirklich gut helfen kann. Mittlerweile war es Herbst geworden. Der nächste Kontrolltermin beim Zahnarzt stand an und Mutti fuhr mit Sophia zum Termin. Der Zahnarzt schaute in den kleinen Mund und war sehr zufrieden. Danach nahm er sich ein wenig Zeit, um Sophia genau zu erklären, wie er der kleinen Luna helfe. Der Zahnarzt versprach ihr, Bescheid zu geben, wenn alles fertig wäre, dann könnten sie vorbeikommen und sich Luna ansehen.

Kurz vor Weihnachten war es dann soweit. Erste Schneeflocken fielen vom Himmel. Sophia und ihre Eltern gingen zum Giraffenhaus. Luna kam auf Sophia zugelaufen.
Die konnte ihre Tränen kaum unterdrücken, weil sie sich so sehr für Luna freute. Der Zahnarzt kam dazu und erklärte den Eltern was alles gemacht wurde.
Sophia ging ganz vorsichtig zu Luna, hielt ihr ein Akazienblatt hin und sagte zufrieden: „Nun haben wir es geschafft. Du bist und bleibst für alle Zeiten unser kleines Horn der Hoffnung. Frohe Weihnachten und alle guten Wünsche für dich, kleine Luna.“