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Wie im Fluge – Protokoll zur Entwicklung eines Kochstils

Mrz 28, 2024 | Kulinarik

Hommage an den deutschen Riesling | Renaissance trifft Gasherd | Und was Leonardo da Vinci
mit all dem zu tun hat 

Foto: Kirsten & Roland Buß // Text: Roland Buß

19. April 2022 | Eins, zwei, drei, meins … 

Ich ersteigere ein Vintage-Weinpaket im Online-Lädchen mit den vier Buchstaben für günstig erscheinende 49,50 Euro. Sechs Flaschen Riesling Spät- und Auslese aus dem Rheingau. Jahrgang 1971 … also gerade mal schlappe 51 Jahre jung 😉 

Mai 2022 | Die Ehrfurcht spülts runter … zumindest ein Glas 

Bei dem Versuch, eine dieser Bouteillen mit meinem Lieblingskorkenzieher zu entkorken, flutscht dieses Naturprodukt in den bräunlich schimmernden Inhalt der antiken Plörre – als die sie sich kurz danach vorstellt. 

Angesichts der Nasenprobe entpuppt sich der erste Schluck zur Mutprobe. Das Aussehen des Tropfens, im Schein der Kerze, erinnert mich an einen Schwenker mit Cognac. Mit Respekt vor seinem imposanten Alter hänge ich die Messlatte für die Trinkfreudigkeit, angesichts dieser farblichen Nuance, knapp über Erdkrusten-Niveau. Aus diversen Vor-Erfahrungen weiß ich, dass sich die Zielgruppe bei solch gereiften Gewächsen krass zuspitzt. 

Erst beim begleitenden Stöbern im World Wide Web, zu historischen Ereignissen im Jahre 1971, verwerfe ich den Gedanken, den Ausguss der Spüle mit diesem Wein zu benetzen. 

Ich nehme eine aufrechte Haltung an und erweise Erich Honecker einen Salut. Dieser erklomm exakt in diesem Jahr den Thron der damaligen DDR. Wusstet Ihr eigentlich, dass Erich 1935 wegen Widerstands gegen den Nationalsozialismus zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde? 

Ich würde mich nicht als Honni-Fan outen wollen, aber das zollt mir Respekt vor seiner Person ab. 

Allerdings nicht genug, um mir nachzuschenken. Aber den Rest des Glases leere ich mit Anstand und Achtung – wenngleich das bei der braunen Farbe des
Weines schon ein wenig bizarr anmutet 😉 Flasche nebst Inhalt wandern in den Kühli. 

Juni 2022 | Jeder Pott findet seinen Deckel … und jeder Wein sein Gericht 

Ein lieber Freund hatte sich zum Dinner angesagt. Nach einer langen Abstinenz von Freund und Gericht beschließe ich mein Parade-Rezept zu brutscheln … und zwar ein Coq au Vin. Aber nicht in der klassischen Variante, sprich mit Rotwein … sondern mit Weißwein, und zwar in Form eines Rieslings. 

Exkurs | Eine Hommage an den deutschen Riesling | Riesling-Freak

Durch meine WineScout-Trips ans Kap der guten Hoffnung war mir bewusst, wie sehr uns die internationale Weinwelt um unseren Riesling beneidet – bevorzugt aus dessen Hauptanbaugebieten Rheingau und Mosel. Es gibt wenige südafrikanische Winemaker, die nicht einen Arm oder ein Bein dafür opfern würden, diese Rebsorte in einer ähnlichen Qualität dort unten vinifizieren zu können. Das ist übrigens bei den Franzosen ähnlich. Bei Italienern und Spaniern bin ich mir nicht sicher … dort wird die stolze Nase angesichts der eigenen Weine oftmals so hoch getragen, dass sie beim Blick über den Tellerrand im Wege steht 😉

Beim Niederschreiben dieser Story wird mir deutlich, dass meine Passion für diese Rebsorte so ausgeprägt ist, dass ich mich durchaus als Riesling-Freak bezeichnen darf – wie auch der Suchbegriff „Riesling“ in meiner Facebook-Timeline belegt: www.facebook.com/RolandBuß

… zurück zum Coq au Riesling 

Ein wohlgeratenes Kikok-Hähnchen wanderte in meinen Einkaufskorb, neben Weintrauben und anderen Zutaten, die ich am Abend verarbeiten wollte. Beim Mis en Place, sprich dem Zurechtstellen und der Vorbereitung der Zutaten, fiel mein Blick auf den verbliebenen halben Liter des 71er Rieslings im Kühli. Angesichts seiner noch vorhandenen Restsüße ein idealer Sparringspartner, um den Flattermann im Schmortopf zu umspülen. 

Kurzum, es war ein kongeniales Gericht, dessen Soße wir mit einem Baguette restlos auftunkten. Ein gutes Gefühl, angesichts der fünf Flaschen aus meinem Schnäppchen-Kauf, auf die ich künftig zurückgreifen darf. Eure Zeit wird kommen, Jungens … ob im Glase … oder im Topf … das hängt ganz von euch und eurem Geschmack ab 😉 

11. Februar 2022 | Kabeljau-Session | Ein Mann muss tun, was er tun muss … oder … was seine Frau sich wünscht | Fog in the Wok

„Ich hätte mal richtig Lust auf einen Kabeljau, wie sie ihn in der Sansibar auf Sylt zubereiten“, so die bittende Bestellung der Gemahlin.

Entgegen aller Mythen kochen die dort auch nur mit Wasser … also sollte das kein großes Problem sein. Aus unseren Exkursionen zu diesem Epizentrum der Reichen und Schönen weiß ich, dass Kirsten das Anrichten des Skrei (so nennt man den Winter-Kabeljau) auf Kartoffel-Pü und Sauerkraut meint.  

By the way drängt sich mir die Frage auf, warum die uns überhaupt dort reinlassen 😉 

Sauerkraut stellt keine wirkliche Herausforderung dar, ein anständiges Kartoffel-Pü auch nicht – zumindest nicht für ein Kartoffelkind wie mich 😉 

Allein die Zubereitung des Kabeljaus und der Soße erfordert ein wenig Finesse, um dem Gaumen der Gattin gerecht zu werden. 

Ich entschied mich für meine bis dato optimalste Zubereitung des Kabeljaus. Der schmeckt zwar hervorragend in Butter und etwas Knoblauch gebraten … aber … großes Aber … wenn man den Eigengeschmack dieses feinen Fisches möglichst unverfälscht genießen und … den Garpunkt unverkrampft und optimal erwischen will, empfehle ich eine Kombination aus einem Wok und einem asiatischen Bambuskorb, wie ihr auf den Bildern erkennen könnt.

Der Wok wird mit Gemüsebrühe gefüllt, die zum Sieden gebracht wird. Dann füllt man den Bambuskorb z.B. mit Frisée-Salat, auf dem es sich der Kabeljau gemütlich machen kann, während er bei geschlossenem Deckel, im aufsteigenden Gemüsedampf, vor sich hindöst und -dünstet. Wenn sich sein Fleisch leicht mit der Gabel in einzelne, schuppenartige Segmente zerteilen lässt, ist es an der Zeit, ihn anzurichten.

Zuvor hatte ich mit einem 71er Bernkastel-Kueser Lay eine Riesling-Auslese vom Korken befreit. Fazit: Trinkbarer als der erste Versuch meines Schnäppchen-Konvoluts – aber immer noch grenzwertig in Bezug auf den glasweisen Genuss. Dennoch exzellent, um die halbierten Weintrauben anzugießen, die in der Pfanne mit ein wenig Kokosblütenzucker karamellisierten. Diese Melange hielt Einzug in das köchelnde Sauerkraut, welches ich mit etwas Sahne und ein wenig Gemüsebrühe  verfeinerte.

Ein paar Brösel von frischem, magerem Speck tanzten in der Pfanne mit ein wenig Lauchstroh – als Topping für dieses Gericht.

Fazit: Bei allem Vorschub der künstlichen Intelligenz (KI) ist es leider (noch) nicht möglich, dass Bilder riechen und schmecken können. Ich fände es gut, wenn es so bleiben würde – genauso, wie beim Abschmecken von Storys wie dieser 😉 100 % natürliche, textürliche Zutaten – versprochen!

20. Februar 2024 | Geburtstag mal anders | Streetphoto-Session in Düsseldorf

Seit genau 17 Jahren verbringe ich meinen Geburtstag anders als die meisten Menschen. Ich mache mich dünne, gönne mir Eigenzeit, um zu reflektieren und der Künstlerseele in mir Raum zu geben.

Gegen Abend freue ich mich dann, mit Kirsten das Erlebte zu teilen und den Abend kulinarisch ausklingen zu lassen – bestenfalls bei einem Digestif auf dem Wohnzimmerteppich, damit Fellnase Paula dem Ritual beiwohnen kann. 

In diesem Modus ging ich auch meinen besonderen Tag im Jahre 2024 an. Ich hatte mir von unserem Musikerfreund Ralf Rademacher einen schönen, belastbaren Gitarrengurt aus Leder geborgt, um meiner Nikon D810 und dem 200-500er-Ofenrohr-Objektiv eine zuverlässige Tragehilfe zu bieten. Streetphoto-Session in Düsseldorf stand auf meiner Agenda. Ab ging es in den „Bocholter“ auf die Schienen Richtung Düsseldorf. Vom dortigen Hauptbahnhof ging es durch den
Medienhafen zur Altstadt.

Gleicher Tag | 18.14 Uhr | Düsseldorf, Carlsplatz | Concept Riesling | Catch of the Day | Riesling „Wie im Fluge“ 

Wenn ich durch die Altstadt von Düsseldorf laufe, schaltet mein Gaumen automatisch auf Autopilot. Dann will er an den legendären Edel-Containern vom Concept Riesling (www.conceptriesling.com)  einkehren, um einen neuen, spannenden Tropfen zu verkosten. So auch an diesem Tage. Ich war froh, dass Kamera-Objektiv-Monstrum auf einem Stehtisch ablegen zu können und rasterte die Weinkarte. „Wie im Fluge“ sollte es ein, denn schließlich war mein Tag als eben solcher vergangen. 

Die erste Nase, der erste Schluck … angefixt ließ ich mir die Flasche von den sympathischen Ausschankladys zeigen. Weingut Goldatzel … bislang nicht von mir gehört, aber deren Rückennummer hatte ich mir spontan gemerkt. Drei Flaschen bereicherten meinen Foto-Rucksack auf dem Weg zum via WhatsApp vereinbarten Zusteigpunkt ins Fahrzeug von Kirsten. Zum anschließenden Seafood im „Cafe de Bretagne“ hätte ich mir meine Riesling-Neuentdeckung gewünscht – aber angesichts von dessen Zimmer-Temperatur im Rucksack musste ein französischer Viognier herhalten.

29. Februar 2024 | Tuchfühlung mit dem Weingut Goldatzel | Der Funke springt über 

Ich bin eher nicht für Standardmails mit Textbausteinen berühmt, dennoch war ich überrascht von der Reaktionsgeschwindigkeit und dem Sympathiegrad von Johannes Groß, dem erwachsenen Junior vom Weingut. Das anschließende Telefonat mit seiner Freundin Ines verging ebenfalls wie im Fluge. Die Liebe zum Riesling, die Liebe zum Spätburgunder, die Passion für Frankreich … es gab so viele Anknüpfungspunkte. Leider würden wir uns auf der bevorstehenden ProWein in Düsseldorf nicht treffen können, weil Ines und Johannes eine kleine Auszeit in Portugal planten. Ihre Premiere, wie sie gestand – unsere wird folgen, noch in diesem Jahr … ich bin mir sicher. 

Wir verabredeten eine Kitchen-Story mit deren Weinen – vom unkomplizierten Einstiegswein über ernsthaftere Rieslinge mit mehr Wucht bis zum „Besten Fass“ –
Johannes’ Lieblingswein – zugleich die Brücke zu den Spitzengewächsen des Weingutes Goldatzel. 

Während die Weine per Paketdienst im Anflug sind, beschäftige ich mich mit der Legende von der Goldatzel, die ihr auf deren Webseite findet.

Die Legende von der Goldatzel

Es war einmal … in Johannisberg ein reiches Töchterchen, das allzu gerne mit dem goldenen Familienschmuck spielte. Nun haben nicht nur Töchter, sondern auch gewisse Vögel ein Auge für Glitzer und Glanz, und so nahm die Geschichte ihren Lauf:

Offenes Fenster, Töchterchen abgelenkt, Atzel – hochdeutsch: Elster – reißt sich das schönste Stück unter die Klauen und entschwindet unbemerkt. Der Jammer war groß! Bis im Herbst – des Schicksals glückliche Fügung – beim Holzfällen das Elsternest samt goldener Beute vom Baum fiel. Von da an hatte nicht nur der diebische Vogel, sondern auch gleich der Weinberg am Fundort seinen Namen weg: die Goldatzel.

Anfang März 2024 | Überlegungen zum passenden Rezept | Gebratene Elster-Brüstchen in Riesling-Espuma? … Wohin mögen die Synapsen uns tragen? 😉

Nicht dass ihr glaubt, dass ich mich da lange mit aufgehalten habe. Meine Neigung zu zarten Gefieder-Gerichten endet bei Wachteln. Das Essen von Sing- und anderen Vögeln überlasse ich … den Italienern zum Beispiel. Sorry, Pipo und Mario, Elfmeter gehören versenkt 😉

Aber … als Mensch mit einer extrem gesunden Neugierde wollte ich schon wissen, ob man Elstern essen könne, und wenn ja, welches Sößchen dazu passt. Mit einem erhofften Ausschluss-Charakter fütterte ich Google mit entsprechenden Suchanfragen. Aber … siehe da, in einschlägigen Jägerforen steht zu lesen:

„Krähen und, noch besser, Elstern, schmecken hervorragend — speziell die Jungvögel.“ Bei der Bauanleitung für eine im Ofen gebratene Krähe mit Wildkräutern wurde es selbst einem 71er-Plörren-Trinker zu bunt 😉 Die Lösung des passenden Gerichtes zu „Wie im Fluge“ liegt offensichtlich nicht in Vögel-Getieren. Wo ist die Brücke? (Anm. d. Red. … in Florenz, wie ich später lernen durfte 😉

Wenn Leonardo das wüsste, dass er postum für die Erfindung eines einzigartigen Gerichtes Pate stand 😉

Also … ein mögliches Rezept mit Feder-geschmückten Lebewesen schied für mich aus. Wie kann es trotzdem gelingen, eine runde Geschichte davon zu bauen? Als Fan des Universal-Genies Leonardo da Vinci kommen mir seine legendären Aufzeichnungen in den Sinn, wo er am Fluss Arno sitzend den Flug der Vögel und das Strömungsverhalten der Fische für seine Forschungen skizzierte.

Das früheste bekannte Werk Leonardos aus dem Jahr 1473 ist eine Federzeichnung des Arno-Tals. Laut Vasari war Leonardo der erste, der die Idee vorschlug, den Fluss Arno zwischen Florenz und Pisa schiffbar zu machen.

LdV-Originalbilder mittels Leonardo.ai nachbereitet.

„Verbinde das Unverbundene“, war Leonardos Gedanke im Jahre 1473. Oder: „Connecting the dots“, wie Steve Jobs es in seiner legendären Stanford-Rede am 12. Juni 2005 vortrug. 532 Jahre liegen zwischen den Weisheiten dieser großen Denker und Macher.  

Dann denken und machen wir mal … Wieso umschleicht mich eigentlich eine so große Faszination für Leonardo da Vinci? Weil er wie kein anderer den Prototypen eines „Multigrafen“ so ganzheitlich verkörpert. Ein Mensch, der mannigfaltige Berufsbilder in seiner Person vereint und der nicht müde wird, all diese Facetten und Leidenschaften miteinander ins Schwingen zu bringen und auszuleben. Leonardo war: Maler, Bildhauer, Architekt, Mechaniker, Ingenieur, Erfinder, Anatom, Botaniker, Geologe, Kartograf, Musiker, Schriftsteller, Philosoph, Event-Veranstalter, rastloser Forscher, radikaler Denker, Visionär, Individualist, Dandy … mit hellwachem Blick, die Augen umringt von Lachfältchen. 

Wen es interessiert … ich habe den Da-Vinci-Code mal anders gedacht. Nachzulesen auf den Seiten 124 bis 127 unseres Business-Magazins PLATZHIRSCH, welches wir nach seiner Pandemie-bedingten Pause mit neuem Leben füllen werden.

platzhirsch-business-magazin.de/No.4

Um mich täglich an diesen begnadeten Menschen zu erinnern, habe ich mir vor Jahren ein passendes Schreibgerät
gegönnt. Mein bevorzugtes Utensil, um Gedanken von Hand auf Papier fließen zu lassen … sie zu skizzieren. So entstand auch die Idee für diese alles andere als lineare Story. Während ich meine Food-&-Wine-Gedanken im Gastro-Bereich des Bahia analog festhielt, saß Leonardo
seinerzeit in Florenz am Arno, in Höhe der Wasserfälle am Ponte Rubaconte … heute als Ponto alle Grazie bekannt. Ein paar Jahrhunderte und 1.249 Kilometer voneinander entfernt – und trotzdem vereint … zumindest was das Plätschern des Wassers im Hintergrund angeht. Aber auch im Namen, wie mir unlängst auffiel. Ganz schön viele Buchstaben, die Leonardo und Roland gemein haben – lediglich das „e“ ist mir momentan noch ein Rätsel 😉 

Welches Fischlein soll es denn sein? 

Wenn man ChatGPT befragt, wird deutlich, dass die Schleie die letzte heimische Fischart ist, die auch heute noch in dem mit 241 Kilometern zweitlängsten Fluss Italiens anzutreffen ist. Alle andere Fischarten basieren auf Zuwanderung. Und … hat es Florenz oder dem Fluss geschadet? Ein weiteres Beispiel für Vielfalt statt Einfalt – zumindest für mich. 

Die künstliche Intelligenz berichtet von Aalen, Barben, Karpfen und Forellen, die heute dort anzutreffen sind. 

Von Kabeljau ist nicht die Rede, aber den hatten wir ja auch schon in einem Gericht verarbeitet. Forelle finde ich spannend – noch spannender fände ich Saibling, weil er sich leichter filetieren lässt und weichere Gräten hat als die Forelle. Es gibt den Seesaibling und den Bachsaibling. Ich halte es aber nicht für ausgeschlossen, dass es auch den Flusssaibling geben könnte, zumal sich die intelligente Kollegin (KI) schon mal verhaut 😉 

Ich entscheide mich für zwei Forellen und zwei Lachsforellen, die ich beim Fischdealer unseres Vertrauens, Jan de Graaf, ordere. 

Was wäre eine passende Zubereitungsart? 

Mir kommt das berühmte „Fisch muss schwimmen“ in den Sinn. Damit war ursprünglich gemeint, dass man zu Fischgerichten genügend trinken sollte, um leichter zu verdauen. Horst Lichters Interpretation seinerzeit war sicherlich, dass der Fisch in Butter schwimmen sollte, als er seine Ära als sympathischer Fernsehkoch antrat 😉

Unlängst wanderten ein paar Schellfisch-Filets quasi als Notkauf in unseren Einkaufskorb. Die Hälfte der Filets habe ich, wie beim Kabeljau auch, im Bambuskorb gedünstet. Das Ergebnis war zweifellos brauchbar, aber alles andere als perfekt. 

In dem Zusammenhang kam mir der gute Jamie Oliver in Erinnerung. Von dem habe ich mich im letzten Jahr inspirieren lassen, als er das Gericht „Fische im verrückten Wasser“ kreiert und geteilt hat. Damals waren es Doraden, die er im Ganzen, mit seinem Kumpel und Mentor Gennaro Contaldo, in einem Sud in der Pfannezubereitete. 

Ich fühlte mich inspiriert, diese Idee für uns zu interpretieren – mit tollem Ergebnis … seht hier: Facebook

Getreu dem Motto „Nie die Wurzeln vergessen“ teile ich gerne den Original-Impuls mit euch: Video „verrücktes Wasser“

Bei dem Rest der zarten Schellfisch-Filets wollte ich eine ähnliche, noch schonendere Zubereitung wählen. Ich entschied mich für ein „verrücktes Wasser“, welches ich aus Gemüsebrühe und etwas Safranherstellte und simmernd als Bad für die restlichen Filets nutzte. Der Schellfisch badete sanft darin, das Ergebnis war galaktisch.

 

17. März 2024 | In unserem Nest, oberhalb des Verlages | Forellen im „Leonardo-Style“

Jetzt lag sie da, die „Jagdausbeute“, die Kirsten bei Jan de Graaf abgeholt hatte. Warum nicht die Erkenntnisse des schwimmenden Garens aus dem Schellfisch-Experiment mit den Bildern verknüpfen, die Leonardo, am Arno sitzend und skizzierend, in meinem Kopf erzeugt hatte?

Die Schwierigkeit würde darin bestehen, die vier Fische so auf dem Herd schwimmen zu lassen, wie Leonardo sie seinerzeit beobachtet hatte. Unsere größte Auflaufform schien geeignet. Mit den vorgekochten Kartoffeln, die wir eh für das Püree brauchten, gab ich den Fischen den notwendigen Halt, um aufrecht „im Strom zu stehen“. Dieser besteht aus leichter
Gemüsebrühe und ein paar Fäden Safran. Mit der Fantasie, dass es sich um seichtes Gewässer handelte, erschienen die Kartoffeln wie Flusskiesel … und die Dillzweige wie Pflanzen, wie sie in Fließgewässern anzutreffen sind.

 

Nach ca. zehn Minuten habe ich die „Kiesel“ aus dem „Flussausschnitt“ entfernt und mit Milch, einer Tasse „verrücktes Wasser“, etwas Sahne, Butter, Muskat, Salz, Pfeffer und reichlich klein geschnittenem Endiviensalat zerstampft. Wenn ihr es etwas mediterraner mögt, gebt einen Schuss weißen Aceto Balsamico, Olivenöl und einen Spritzer Zitrone dazu.

Das Bassin habe ich auf unsere Tafel getragen, um die Fische weitere fünf Minuten ziehen zu lassen. So blieb Zeit für Kirsten, die finalen Fotos zu schießen … und für mich, um den Riesling „Wie im Fluge“ von seinem Schraubverschluss zu befreien und zu verkosten.

Da war er wieder, dieser Moment, der mich beim Concept Riesling auf dem Carlsplatz schon so begeistert hatte: Seine prägnante, angenehme Säure und sein dezenter Duft … für mich ein würdiger Begleiter zu diesem genialen Gericht, an dessen Entstehung er maßgeblichen Anteil hatte.

Merci an Ines und Johannes und die gesamte Winzerfamilie Groß für eure Weine und die damit verbunden Inspiratrionen. Wir werden uns peu à peu durch eure Vielfalt süppeln und freuen uns insbesondere auch auf euren Spätburgunder, den wir mit einem passenden Käse genießen werden. Wir werden berichten.

www.goldatzel.de

www.goldatzel.de/shop

Apropos berichten … Es gibt (bislang) keine Quelle, die ich gefunden habe, die von dieser „aufrecht schwimmenden Zubereitung“ berichtet. Möglicherweise ein Novum, was sich zwischen meinen Ohren zusammengepuzzelt hat. 

Teilen statt patentieren, lautet unsere Devise 😉 

Hier heißt es nicht „gerührt oder geschüttelt“ wie bei James Bond … sondern „geschwommen“ … auf die Frage, wie wir die Forellen veredelt haben 😉

Das war echt lecker und wiederholensWERT. 

The End | Vorläufig

Unlängst war ich zwei Tage auf der ProWein unterwegs – der bedeutendsten internationalen Weinmesse. Das ist Reizüberflutung pur, für Augen und Gaumen. Dennoch stach mir ein Claim ins Auge: Generation Riesling … Musik für die Zunge. Ohne zu wissen, was sich dahinter verbirgt, connecten sich die Dots in meinen Synapsen, verbindet sich das bislang Unverbundene: Da mir das ganze, mehr trennende als vereinende Buchstabengedöns wie Generation X, Y, Z nebst Boomer- und sonstigen Diskussionen echt auf die Nerven geht, empfinde ich eine „Generation Riesling“ als geradezu brillanten Gegenentwurf zu dem sonstigen, stigmatisierenden Geschwurbel.

Zudem verkörpere ich die Generationen Pinot Noir, Weißburgunder, Viognier, Chardonnay, Merlot, Syrah, Cabernet Franc, Sangiovese, Grenache, Port etc. Mir fällt in dem Zusammenhang auf, dass es keine Rebsorte gibt, die ich vehement ablehnen würde 😉 Da schließt sich der Kreis wieder: Vielfalt, statt Einfalt. Und damit wir neben dem Riesling auf der Zunge auch echte Musik ans Ohr bekommen, empfehle ich auf YouTube: Summer Riesling – A „Summer Nights“ Parody

The End | Part II

Ich möchte auch noch den Kreis im Sinne des Weinpaten dieser Story schließen. „Wie im Flug“ verging mir die Zeit, die erlebten Momente zu genießen und diese Zeilen runterzuschreiben. Doch … die Zeit vergeht nicht – wir vergehen, wenn man das mal bei Licht betrachtet.

Drum halte ich es für bedeutsam, über die Legende von der Goldatzel (der Elster) nachzudenken. Es ist letztendlich nicht das güldene Geschmeide, was kostbar ist … es ist die Zeit. Drum hütet euch vor den Elstern, die euch wertvolle Lebenszeit rauben. Dieses wundervolle Gedicht
„Meine Seele hat es eilig“ von Ricardo Gondim (obwohl es oft fälschlicherweise Mário de Andrade zugeschrieben wird)“ mag euch dabei leiten: Gedicht: Meine Seele hat es eilig

Kulinarische Grüße Euer Kitchen-Story-Team Roland & Kirsten