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Vergrabener Lachs 

Apr 29, 2024 | Kulinarik

Fotos: Kirsten Buß // Text: Roland Buss

Von Räuberfänger-Kumpels, betrunkenen Fischern & Wikingern und Wett-Einsätzen etc.

 

Die Wurzeln dieser Story 
Es begab sich zu einer Zeit … deutlich nach der Ära der Wikinger … ein paar Jahre vor dem Wechsel in ein neues Jahrtausend – 1996 könnte es gewesen sein. Mir gegenüber saß Willi … Berufskollege, Gefahren-Genosse, Schweden-Fan, Freund … mit begnadetem Humor, keine Schote auslassend. Seinerzeit Kriminalhauptkommissar bei der Zentralen Kriminalitätsbekämpfung (ZKB) in Borken – zuständig für den Bereich des schweren Raubes … vornehmlich Bankraub in all seinen Facetten und unterschiedlichen Charakteren, was die Täter anging. Genauso differenziert wie die Täter, die uns in den Vernehmungen gegenübersaßen,
waren auch wir als Teamkollegen. Was uns verband, war die gemeinsame Sache, Kriminalfälle zu lösen und das Gespür, das Leben mit einer ordentlichen Prise Humor zu würzen. Soviel zum Hintergrund. 

Während einer Mittagspause berichtete Willi mir von einem seiner unzähligen Schweden-Erlebnisse. Anlass war meine frisch geschmierte Weißbrot-Stulle, die ich mir gerade mit Graved-Lachs belegte, den ich zuvor bei Edeka-Wilger in Borken gekauft hatte. 

Willi: Weißt du eigentlich, woher der Name Graved Lachs stammt?

Ich: Nö. 

Willi: Das geht zurück auf die Wikinger, die haben
damals immer die Lachse vergraben, um sie zu konservieren. 

Ich: Mein lieber Freund … von „Graved“ auf „Vergraben“ zu schließen wäre begriffstechnisch zwar naheliegend, aber trotzdem vollkommener Nonsens.

Willi: Das ist echt wahr. Das hat mir ein schwedischer Fischer erzählt, dem ich eine solche Graved-Lachsseite abgekauft habe. 

Ich: Und … ist er dazu in einen Klabautermann-Sandkasten geklettert, um mit seinem kleinen Fischer-Schüppchen nach dem verbuddelten Fisch zu graben? 😉 Such dir einen anderen Döspaddel, dem du diese Bären bzw. Lachs aufbinden kannst. 

Willi: Du Doofmann. Das ist wirklich so … Wette?

Ihr solltet dazu wissen, dass Willi das
Angellatein erfunden haben könnte, wenn es darum geht, andere auf den Arm zu nehmen. Seine angebotene Wette wertete
ich als Indiz, dass er selbst an die Story glaubte, die er mir gerade verzapfte. 

Wetten dieser Art waren für uns lieb
gewonnenes Rituale unserer Teamarbeit, oftmals in Verbindung mit der Nahrungsaufnahme während der Dienstzeit. 

Ich: Okay. Um ’ne Pizza? 
Willi: Die Wette steht.

Zu der Zeit träumten wir davon, dass
unsere elektrischen Schreibmaschinen bald von Computern abgelöst werden könnten … somit stand Google als Quelle der Erleuchtung (noch) nicht zur Verfügung. 

 

Was für ein schöner Prozess, die Lachsseiten zu vergraben …
… es riecht nach frisch-fruchtigen Noten und nach Meer!

Ich wählte die Nummer von Verona Feldbusch … ihr wisst schon, die 11833 … das wo ihnen geholfen wird.

Die Nummer, nebst dahinterliegendem Service, ist übrigens heute noch erreichbar. Ruft mal dort an und lasst euch mit dem Bundeskanzleramt verbinden. Beides klappt … Wetten? 😉

Ich bat darum, dass man mich mit „Deutsche See“ verbinden möge. Deren LKWs hatte ich gelegentlich auf Deutschlands Autobahnen wahrgenommen.

Von der Zentrale stellt man mich zu einem „Lachs-Spezialisten“ durch, nach dem ich gefragt hatte.

Max Mustermann: Deutsche See, was kann ich für sie tun?
Ich: Können Sie mir sagen, was der Hintergrund zu Graved Lachs ist? 
Max Mustermann: Das geht zurück auf die alten Wikinger, schon die haben
damals den Lachs vergraben …
Ich: Schönen Dank fürs Gespräch. 

Ich hatte unser Telefon auf Lautsprechen gestellt. Willi feixte vor Freude, angesichts der gewonnenen Pizza und dem Siegesrausch, Recht gehabt zu haben.

Ich: Freu dich nicht zu früh, mein Freund. 
Willi: Du hast doch gehört, was diese Kapazität gesagt hat …
Ich: Das beweist gar nix. Es könnte auch ein Indiz dafür sein, dass ihr auf den
gleichen betrunkenen Fischer in Schweden getroffen seid ;-). 

Um es abzukürzen, natürlich habe ich mit einer Pizza-Session unsere Wette
eingelöst – Wettschulden sind bekanntlich Ehrenschulden. 

Hommage für einen Freund 

Zum Zeitpunkt der Pensionierung meines alten Räuberfänger-Kumpels (im Jahre 2018) waren Kirsten und ich mit Freunden in Italien unterwegs. Aber Ehre, wem Ehre gebührt … drum erreichten Willi diese Zeilen an seinem besonderen Tag: 

Mein lieber Willi, 

es tut mir echt leid, dass ich dir heute nur aus der Ferne, vom Ortasee zuprosten kann. Aber das soll dein Schaden nicht sein. Ich würde dich gerne mit einem speziellen Menü bekochen, das uns beide verbindet: 

„Vergrabener Lachs“
auf Kartoffel-Zucchini-Plätzchen, mit einem Rahm von Knoblauch & Dill 

„Feinstes von der Wachtel“
auf hausgemachten Steinpilz-Ravioli und einem Portwein-Schalotten-Sößchen 

Als Dessert gibt es den rauchigsten Whisky auf diesem Planeten. Zwischendurch werde ich schauen, was der Weinkeller so hergibt. Und dann freue ich mich auf das Teilen von Erinnerungen an unsere Zeit als Bankräuberjäger. 

Bleib sexy,
Dein Roland 

Willi löste seinen „Gutschein“ am 08. Juni 2018 ein. Am Tag zuvor hatte ich zum ersten Mal ein Lachs „vergraben.“ 
Natürlich haben auch die Wachteln eine besondere Story, aber heute widme ich meine Aufmerksamkeit dem Lachs. 

Vergrabener Lachs – in vielen Facetten 
Es war der österliche Brunch bei meiner Mum, der mich zu einem Revival dieser Spezialität animierte. Traditionell kamen wir als Familie zusammen, diesmal jedoch mit anderen Vorzeichen – wir wollten das traditionell Eier-geschwängerte Spätstück um ein paar Speisen zum Brunch tunen. Und das Ganze, auf Wunsch meiner Schwester, mit mitgebrachten Speisen, ohne sich abzusprechen.  

Also, was lässt sich gut vorbereiten? Und was ist außergewöhnlich genug, damit nicht alle z.B. einen Mett-Igel auf die Tischmitte stellen ;-). 

Dafür schien mir die Neuauflage des Graved-Lachses als ideal und zudem hatte ich Lust, diesen auch mal anders zu präsentieren, als das hauchdünne „Aufschneiden.“ Ich orderte einen kompletten Lachs bei einem der Fischdealer unseres Vertrauens, der diesen in zwei Seiten filetierte – die Haut ließ er auf meinen Wunsch am Fisch. 

Das Vergraben an sich | Das Beizen des Lachses

Ihr braucht dafür ein ausreichend großes Behältnis (Auflaufform oder Ähnliches), das die Lachsseiten in ganzer Länge aufnehmen kann. Auf unserer Schiefertafel-Collage könnt ihr erkennen, welche Komponenten wir als Beize verwendet haben. Als Hauptdarsteller fungiert ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Zucker & Salz (50/50). 

Dazu gebt ihr die anderen Zutaten, die ihr auf den Bildern erkennen könnt. Beim Abreiben der Zitrone und der Orange, dem Hinzufügen des Gins und der Kräuter
verrät auch eure Nase, dass das extrem lecker werden wird. Wenn ihr die Chance habt, Amalfi-Zitronen und frische Orangen (noch mit Grün dran) zu verwenden, macht das bitte – deren Geschmack ist einfach umwerfend. 

Vermengt alles miteinander und legt eine Seite des Lachses mit der Haut nach unten in dieses Aroma-Beet. Darüber verteilt ihr zwei Hände der Beize und legt die andere Lachseite darüber – mit der Haut nach oben, sodass der Fisch wieder eine Einheit bildet. 

Darüber gebt ihr den Rest der Mischung, deckt das Ganze mit Frischhaltefolie ab und gebt das Behältnis in den Kühlschrank. 

24 Stunden reichen aus. Wer es noch aromatischer haben möchte, wer noch mehr Flüssigkeit aus dem Lachs ziehen will, der kann bis zu 48 Stunden warten, bevor er die
gebeizten Lachsseiten unter fließendem Wasser von den Gewürzen befreit. Wässert sie gerne danach noch für weiteren 10 Minuten, bevor ihr sie mit einem Küchenpapier trockentupft, mit Sonnenblumenöl einreibt und mit feingehacktem Dill bestreut. So eingewickelt in Frischhaltefolie hält sich der Lachs mehrere Tage im Kühlschrank – jederzeit zum Aufschneiden bereit. 

Inspirationen für die Verwendung des gebeizten Lachses
Uns schien es naheliegend, sofort zwei Seiten zu beizen, eine für den beschriebenen Osterbrunch und eine zum freien Experimentieren. 

Hauchdünn aufgeschnitten
Den Oster-Lachs haben wir hauchdünn aufgeschnitten und traditionell mit Kartoffel-Rösti und Honig-Dill-Senf-Sauce serviert. 

Auch für dieses Aufschneiden lag das Nesmuk Janus Slicer 260 perfekt in der Hand. Gutes Werkzeug muss sein – und macht sich durch Spaß in der Anwendung und durch Langlebigkeit bezahlt. 

www.nesmuk.com/products

Zu Gast bei der Nesmuk Manufaktur in Solingen

Mit der anderen Seite haben wir das Menü kreiert, welches Kirsten mit der Fuji
eingefangen hat. 

Tatare vom gebeizten Lachs
Hierfür habe ich die Bauchlappen der beiden Lachsseiten verwandt. Auf diese Weise konnten wir die schönen, dickeren Teile der Lachsseite fürs gleichmäßige Aufschneiden verwenden. 

Die kleinen Würfel der Bauchlappen wurden mit den Zutaten, wie ihr sie auf den Bildern seht, vermengt. Bei dem Messer handelt es sich übrigens um das Nesmuk Janus Kochmesser 240. 

Die Zutaten haben wir mit etwas Rapsöl, einem Spritzer frischer Zitrone und ein
wenig gefriergetrockneter Limette angereichert. 

Etwa 20 Minuten reichen aus, bis diese Melange durch mariniert ist. 

Das Tatare passt zu geröstetem Brot, zu Salat wie auf den Fotos … oder auf ein
Kartoffel-Pü, so wie ihr mögt. 

Dickere Tranchen vom gebeizten Lachs
Da hatten wir beide synchron Lust drauf. Nämlich die Stücke mal auf eine Dickte zu schneiden, wie man sie als Lachsfilet in einem Restaurant bekommen würde.

Mit diesen Stücken haben wir uns auf den Tellern ausgetobt, wie ihr unschwer
erkennen könnt. Und zwar haben wir als Komponenten verwendet:

Wa-Ka-Pü
Unsere Kurzform für ein Wasabi-Kartoffel-Püree. Die Zubereitung gleicht einem normalen Kartoffelpüree, welches wir mit Wasabi aus der Tube, Kokos-Creme und frischem Bärlauch verfeinert haben.

Lagerfeuer-Kartoffeln
Fehlen durften auch nicht unsere geliebten Meersalz-Kartoffeln, die wir in der Schale kochen, solange bis das Salzwasser (angereichert durch Meersalz) gänzlich verkocht ist und die Kartoffeln auf dem Topfboden ihre Röstung erfahren, wie zu unserer Kindheit im Lagerfeuer (Flashback garantiert … in der Nase … und am Gaumen).

Rhabarber-Fettuccine
Eigentlich wollte ich passend zur Spargelzeit genau diesen in längliche Fettuccine-ähnliche Streifen schneiden, bis mir der Rhabarber auf dem Markt ins Auge sprang. Auch spannend! Ewig nicht verwendet. Also gleich zwei Argumente, die mich dieses saure Gemüse einkaufen ließen. In Streifen aufgeschnitten, in etwas Rosé-Port und Kokosblütenzucker in der Pfanne geschwenkt, behielten sie ihren Biss und wurden gleichsam so geschmeidig, dass ich sie wie ein Nudelnest auf dem Teller drapieren konnte.

Fruchtig-herb-süßer Salat
Ich mag die Form und die leichte Bitternis des Frisee-Salates, ein idealer Gegenspieler zum Granatapfel, der als Kerne und als Sirup in das Arrangement einfloss. Ein Schuss Erdbeer-Balsamico, von unseren Freunden von Kloster-Kraul, gab dem Dressing noch mehr Finesse und Tiefe. Dazu noch ein paar sanft gebratene Kumquats, die ich mit Grand-Manier in der Pfanne gelöscht habe. 

Ein paar dünn geschnittene, rote Chilistreifen und Zesten von Zitrone und Orange – Voilà. 

Easy diese iSi | Wohlschmeckender Schaum | Wasabi-Espuma aus dem Siphon
Eigentlich bin ich kein Freund von Schäumchen, Spürchen und sonstigem Schnickschnack. Aber irgendwie schien mir ein leichter Schaum zu den Arrangements angemessener. Leichter und fluffiger als eine Sauce sollte es schließlich werden.
Außerdem schlummerte der iSi-Siphon seit Jahren ungeachtet in unserer Küche.
In diesen flossen dann ein: Die mit dem Stabmixer angeschlagenen Komponenten Tuben-Wasabi, Sahne, Sauerrahm, Erdnussöl, Milch und Zitronensaft. Eine
eingedrehte Sahnekapsel verwandelte die Flüssigkeit zu dem gewünschten, aromatischen Schaum.
Dann ging es ans Anrichten. 

Der passende Wein
Unsere freundliche Nachbarin Petra Niemeyer vom Weinhaus Bocholt, hatte uns unlängst ein kleine Flasche Muscat de Rivesaltes 2021 von Paul Mas zum Probieren mitgegeben. 

Dieser Tropfen schien unseres Lachs-Perimentes (neue Wortschöpfung) würdig, um auch damit zu experimentieren. Eine geniale Kombi, wie wir fanden. Genau der richtige Tropfen für ein Gericht in  diesem besonderen Style. 

Das Zusammenspiel
Ziel dieses Experimentes war es, den „Vergrabenen Lachs“ mit den oben genannten Beilagen so zu arrangieren, dass das ganze Arrangement ausgewogen harmonisch schmeckt. Fassen wir zusammen:

Die süße Salzigkeit des gebeizten Lachses | mit der Säure der Zitrone und des Rhabarbers | der Schärfe des Chilis, des Wasabis und des Bärlauchs | die Süße des
Granatapfels | der Frucht der Kumquats | der Bitternis des Grand Marniers | und der fruchtigen Finesse des Erdbeer-Balsamicos. 

Unser Fazit
Jederzeit wieder. Der Geschmack belohnt für den Aufwand … und … das Ergebnis ist so ergiebig, dass man die Familie und Freunde daran teilhaben lassen kann.
Und wer es einfacher halten mag: Reibekuchen tun es auch ;-). 

In diesem Sinne,
euer Kitchen-Story-Team
Roland & Kirsten